Irlands No behindert EU-Migrationspolitik: Festung Europa bleibt zu

Der Lissabon-Vertrag hätte die Entscheidungsprozedur über Einwanderung in die Union beschleunigt. Entscheidungen über legale Zuwanderung bleiben langwierig.

Ist zuständig für Europas Asylpolitik: Jaques Barrot. Bild: dpa

BRÜSSEL taz Er wirkt wie ein Mann, dem späte Genugtuung zuteil geworden ist. Seit dieser Woche ist Jacques Barrot offiziell Nachfolger von Franco Frattini im Amt des Innen- und Justizkommissars. Als Kommissionschef Manuel Barroso im Sommer 2004 seine neue Kommission zusammenstellte, machte sich der damals 67-jährige Hoffnung auf das wichtige Amt des Wettbewerbskommissars.

Doch Barroso wollte ein Signal für Gleichberechtigung setzen und holte die Holländerin Neelie Kroes für diesen Job. Barrot musste sich mit dem Verkehrsressort begnügen, was in Paris als Zeichen für Frankreichs schwindenden Einfluss in Europa interpretiert wurde. Als dann auch noch bekannt wurde, dass der UMP-Funktionär Anfang 2000 wegen illegaler Parteienfinanzierung in Frankreich zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden war, musste sich Barrot im Europaparlament peinliche Fragen gefallen lassen.

Diese Schmach liegt nun hinter ihm. Am Montagabend absolvierte der nun 71-jährige Barrot die Anhörung vor den Fachausschüssen für Justiz und Recht mit heiterer Gelassenheit. Für das verbleibende Jahr bis zum Ende der Barroso-Kommission kündigte er zahlreiche Gesetzesinitiativen an. Dabei will er sich vom gescheiterten Irland-Referendum nichts von seinem Schwung nehmen lassen. Wäre der Lissabon-Vertrag wie geplant am 1. Januar 2009 in Kraft getreten, hätten sämtliche Vorschläge, die in Barrots Ressort fallen, künftig gleichberechtigt von EU-Staaten und Europaparlament verabschiedet werden müssen. Die Einstimmigkeitspflicht im Rat der Minister wäre weggefallen.

Nun aber muss sich Barrot darauf einstellen, dass lediglich Flüchtlings- und Asylgesetze nach diesem Prinzip verabschiedet werden. Für Gesetze, die legale Einwanderung und damit indirekt den Arbeitsmarkt betreffen, braucht es weiterhin die Zustimmung sämtlicher Mitgliedsstaaten. Damit wird sich eine Schieflage verstärken, die schon seinen Vorgängern Vitorino aus Portugal und Frattini aus Italien die Arbeit erschwerte. Wenn es darum geht, die Festung Europa noch mehr abzusichern, lassen sich die Mitgliedsstaaten meist rasch überzeugen. Sobald die Kommission aber Vorschläge zur legalen Einwanderung macht, eine Blue Card für hoch qualifizierte Migranten vorschlägt oder Saisonarbeitern die Einreise in die EU erleichtern will, hagelt es Proteste aus den EU-Staaten. Da hier weiterhin Einstimmigkeit gebraucht wird, werden die Gesetze weiterhin jahrelang in der Warteschleife hängen.

So wird es dem nun vom frisch gebackenen Innen- und Justizkommissar vorgelegten Paket zu Asyl und Einwanderung nicht anders ergehen als ähnlichen Initiativen seiner Vorgänger. Barrot verlangt eine stärkere Vereinheitlichung der Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in den Mitgliedsstaaten. Ein Europäisches Asylbüro soll Anlaufstelle sein und mit juristischem Rat und Informationen über die Herkunftsländer die nationalen Behörden unterstützen. Dieser Vorschlag hat gute Chancen, nach der Sommerpause 2009 vom neuen EU-Parlament beraten und nach einer Übergangsfrist umgesetzt zu werden.

Ähnlicher Erfolg dürfte den Plänen zur legalen Einwanderung kaum beschieden sein. Dabei legt die Kommission eindrucksvolle Zahlen und Fakten vor, um ihre Vorschläge zu untermauern. Wenn die legale Einwanderung in die EU auf dem bisherigen Niveau bleibt, werden 2060 50 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Wird das Potenzial aus Staaten außerhalb der EU nicht genutzt, werden zu diesem Zeitpunkt doppelt so viele Menschen im Rentenalter arbeiten müssen wie heute.

Gewerkschaften und Nationale Politiker könnten also offensiv für legale Einwanderung werben - und gleichzeitig die illegale Einwanderung offensiv bekämpfen. Doch die Besorgnis, der Wähler könnte über die Fakten erschrecken, ist größer als der Wille zur Aufklärung. Nach der gleichen Logik wurde auch die lange erwartete Antidiskriminierungsrichtlinie auf die Zeit nach dem Irland-Referendum verschoben. Man wollte katholische irische Wähler nicht mit der Forderung erschrecken, Lesben und Schwule müssten anderen Menschen gleichgestellt werden. Genutzt hat die Verschleierungstaktik nicht, das Referendum ging dennoch negativ aus.

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