Hintergrund: Streit ums politische Bezirksamt
So fällt man vom linken Glauben ab: Einst forderte die Berliner SPD Koalitionsregierungen auch in den Bezirken, jetzt zieht sie die Notbremse.
Beim Streit um das Politische Bezirksamt geht es um Kernfragen der Demokratie: Ist es besser, wenn sich in einem Bezirksparlament Regierung und Opposition bilden und für die Bürger klar erkennbar ist, wer für was verantworlich ist? Oder ist es bei den lokalen Themen, mit denen die Bezirkspolitik sich beschäftigt und bei denen es häufig keine großen programmatischen Unterschiede gibt, nicht besser, wenn Vertreter aller großen Fraktionen eingebunden werden?
Derzeit dürfen alle größeren Fraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung auch einen Stadtrat stellen. Eine feste Koalition gibt es nicht, die Mehrheiten wechseln. Seit Mitte der neunziger Jahre forderte die SPD deshalb regelmäßig das "Politische Bezirksamt": Die Bezirksverordnetenversammlung soll sich dem Landesparlament angleichen. Nur die Parteien, die den Bezirksbürgermeister wählen, sollen auch die Stadträte stellen. In der Landesverfassung ist bereits festgelegt, dass die bisherige Verteilung der Stadträte nach Proporz unter allen Parteien im Jahr 2010 ausläuft.
Als die SPD im vergangenen Jahr überlegte, wie die Details für das "politische Bezirksamt" aussehen sollen, wurde ihr klar: Wenn das Modell mit Koalition und Opposition in Reinform umgesetzt wird, verliert die Partei viele Stadträte. Schließlich ist die SPD derzeit in allen Bezirken mit Stadträten vertreten - in Zukunft dagegen kann eine Koalition etwa aus CDU und FDP die begehrten Posten ganz alleine unter sich aufteilen.
"Die Zeiten ändern sich", meint der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Christian Gaebler. Er hält das politische Bezirksamt für "nicht mehr sinnvoll". Der Leitantrag des Landesvorstandes sieht ein Mischmodell vor: Das "Politische Bezirksamt mit Minderheitenbeteiligung". Die Koalition stellt nur den Bürgermeister und seinen Stellvertreter - die anderen Stadträte werden nach Proporz verteilt. Damit ist gewährleistet, dass eine große Oppositionsfraktion weiterhin einen Stadtrat stellt.
Die kleinen Parteien sind über diesen Schwenk der SPD-Führung sauer. "Es muss in den Bezirken ganz klar sein, wer für die Entscheidungen verantwortlich ist, das ist auch ein Schritt gegen die Politikverdrossenheit", findet der Grünen-Landesvorsitzende Stefan Gelbhaar. "Die Parteien können sich dann auch viel klarer profilieren." Doch auch innerhalb der SPD regen sich erhebliche Widerstände gegen den Kompromissvorschlag. Die Debatte geht dabei quer durch alle Bezirke und Flügel, die Abstimmung auf dem Parteitag ist völlig offen. SEBASTIAN HEISER
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