Steinmeier macht den Schröder: Coming-out in der K-Frage
Während sich SPD-Chef Beck gegen den Machtverlust stemmt, macht Außenminister Steinmeier in Hannover den Schröder-Klon. "Der kann ja auch Partei", freuen sich die Genossen.
Der Mann donnert, er legt viel Timbre in die Stimme. Sie könnten jetzt die Augen schließen, die 199 Delegierten auf dem Parteitag der Niedersachsen-SPD. Vor dem inneren Augen würde wohl vermutlich ihr einstiger Chef auftauchen: Gerhard Schröder.
Am Pult steht an diesem Samstag in Hannover aber ein anderer: Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Doch er nähert sich in dieser seiner Vorstellung verblüffend stark seinem langjährigen Chef im Kanzleramt an.
Zeitgleich schimpft der SPD-Vorsitzende Kurt Beck auf einem Berliner Parteitag über all die Ärgernisse, die ihm widerfahren. Der Gehypte und der Gemobbte - es ist eine Art Fernduell an diesem Wochenende, eine Vorstellung, die zeigt, wohin es läuft in der SPD: Richtung Steinmeier.
Der Außenminister zitiert ungeniert den früheren Kanzler: "Wer, wenn nicht wir, soll denn Zusammenhalt organisieren?", bellt das Klon. Die Genossen johlen. Auch der Vergleich mit der Fußballnationalelf könnte von Schröder sein. "Manchmal vergeigt man auch ein Spiel, aber wenns drauf ankommt, wird wieder gekämpft. Und dann können Wunder passieren."
An ein Wunder glaubt 300 Kilometer entfernt vielleicht noch Kurt Beck, offiziell der Mann mit dem ersten Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. Auf dem Parteitag der Berliner SPD geht der Parteichef fast zeitgleich zu Steinmeier in die Defensive. "Entweder es ist unwahr, oder es ist unsolidarisch und feige", sagt Beck zum anonymen Dauerfeuer aus der SPD. Niemand dürfe sich einreden lassen, dass das als Zerstrittenheit zu werten sei. Der Parteivorstand werde geschlossener auftreten, vespricht der SPD-Chef und kriegt immerhin freundlichen Beifall: "Nach einigem Geruckel haben wir begriffen, dass wir zusammenzuarbeiten haben." Beck will die Angriffe durchhalten und "nicht hinter den Baum gehen, weil es da bequemer ist. Ich werde stehen."
In Berlin wie in Hannover sorgt eine Meldung von Spiegel-Online für Aufregung: Anhänger des rechten SPD-Flügels sollen über einen "Putsch" beraten haben: Nicht Beck, sondern Steinmeier solle Kanzlerkandidat und Parteichef werden. Gegen die "Entenjäger" unter den Journalisten wettert in Hannover Hubertus Heil. Der SPD-General stellt sich aber nicht direkt vor seinen Parteivorsitzenden: Die Kanzlerkandidatur werde "vor der nächsten Bundestagswahl" entschieden, basta.
Dagegen sprechen sozialdemokratische Flüsterer nach Steinmeiers gefeiertem Auftritt in Hannover vom "Coming-out in der K-Frage". Von der "nonverbalen Ausrufung des Kanzlerkandidaten".
Beide attackieren die CDU. "Wenn die Bundeskanzlerin kritisiert, dass wir der Rente mit 67 jetzt eine Übergangsmöglichkeit hinzufügen, damit die Menschen nicht überlastet werden, dann lasst uns offensiv gegenhalten", fordert Beck. "Wer so etwas sagt", streichelt er Parteiseelen, "muss zuerst mal in einem Betrieb gewesen und hinter einem Band nachgelaufen sein, um zu wissen, was den Menschen zugemutet wird."
Ungleich kämpferischer Steinmeier, der an diesem Tag den Worthülsen drechselnden Außenminister abgelegt hat. Beim Mindestlohn müsse die SPD an der Union "zerren wie der marokkanische Gemüsehändler an seinem Esel". Zehn Jahre sei die SPD in Berlin an der Macht, ruft Steinmeier, darauf sollten die Genossen stolz sein. "Der kann ja auch Partei", staunt ein Sozialdemokrat.
In Berlin bittet Beck die Partei um Geschlossenheit. "Und denkt daran: Miteinander ist viel schöner als gegeneinander."
In Hannover spricht es am Ende sogar einer auch offen aus: Die SPD, sagt der niedersächsische Parteivize Hauke Jagau, müsse bei der Bundestagswahl 2009 "dafür sorgen, dass Frank-Walter Steinmeier Bundeskanzler wird".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!