Debatte Krise und Energiewende: Geld kann die Welt retten

Die Wirtschaft stockt weltweit. Aber die nächste industrielle Revolution steht kurz vor dem Durchbruch - dafür braucht sie von der Politik jedoch Hilfe statt Ausreden.

Die Weltbörsen fielen am vergangenen Handelstag um 1 bis 5 Prozent - ein kleiner Börsenkrach. Die Aktien von General Motors, Ikone der US-Wirtschaft, sackten gar auf den niedrigsten Wert seit den 1970er-Jahren. Zugleich steigt der Ölpreis auf 142 Dollar für das Fass. Die Arbeitslosenzahlen in den USA steigen, ebenso die Inflation in China und Europa. Es entwickelt sich das Szenario einer Energiewirtschaft, die uns mit hohen Preisen das Wirtschaftswachstum abwürgt - weil der Nachschub von Öl und vielen anderen Rohstoffen nicht mit der Nachfrage Schritt hält.

Es ist ein Szenario, dass von Wirtschaftsexperten als das Schlimmste überhaupt angesehen wird: Die Wirtschaft wächst nicht oder schrumpft sogar, die Inflation hingegen steigt. Vereinfacht gesagt, fressen die hohen Energiepreise das Geld auf, das wir dringend zum Neustart bräuchten.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn nach wie vor ist das viele Geld ja da. Es wird nur über die Öl- und Gasländer umgeleitet und geht dann wieder in die Weltwirtschaft. Außerdem sitzen die Vermögenden in den USA und Europa ebenfalls auf vielen Billionen Dollar und Euro, die angelegt und vermehrt sein wollen. Die Frage ist nur, wie genau? Welcher Sektor wird die Billionen aufsaugen? In der jüngsten Vergangenheit waren das Internetfirmen oder Immobilien.

Paradoxerweise kann diese Rolle künftig der Energiesektor übernehmen, der die jetzige Krise erst erschaffen hat. Zehn Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der Welt gehen in Treibstoffe, Heizung und Strom. Gleichzeitig erzeugen wir unsere Energie so, dass sie per Treibhauseffekt das Klima aufheizt.

Zwar können die Umweltbewegten schon seit einer Generation vorrechnen, was nötig und möglich wäre. Nur haben Energieeffizienz, erneuerbare Energien oder bewusster Konsum bisher kaum jemanden interessiert. Öko war in den Entscheiderkreisen etwas, mit dem man Subventionen abgreifen oder sein Gewissen beruhigen konnte.

Doch langsam begreifen diese Entscheider, dass nicht nur ein paar Eisbären oder Flüchtlinge aus armen Weltregionen betroffen sind, sondern auch sie selbst. Es geht um ihr Geld und ihre Privilegien. Weil die Militärs den Nachschub an Öl und Gas nicht mehr sichern können. Oder weil auch in den Industrieländern stabile Gesellschaften nicht mehr einfach möglich sind, wenn ein Ökosystem nach dem anderen wegkippt.

Zudem gibt es inzwischen technische Wege, um die Energierevolution sofort anzugehen. Wer die entsprechenden Patente besitzt, wird reich. Eben weil jedes Jahr 6 Billionen Dollar für Energie ausgegeben werden. Es gibt inzwischen viele Firmen, deren Produkte rasante Verbesserungen und Effizienzsteigerungen versprechen. Diese Firmen brauchen Kapital. Auf diese Weise kann Geld die Welt retten.

Ein paar Beispiele: Eine Studie der Gesi-Initiative, die sich international für Nachhaltigkeit in der Informations- und Kommunikationsbranche einsetzt, hat errechnet, dass die Verbindung von Stromnetzen, Industriebetrieben und privaten Haushalten mit intelligenter, internetunterstützter Software bis zu 15 Prozent der globalen CO2-Emissionen einsparen kann. Außerdem kann ein intelligentes Stromnetz wesentlich mehr der schwankenden Wind- und Sonnenenergie aufnehmen. Die Risikokapitalgeber vor allem in den USA haben den Markt für erneuerbare Energien entdeckt. Inzwischen fließen dort Milliarden an kleine Firmen und an Forscher. Auch Deutschland ist traditionell auf diesem Sektor technisch vorne mit dabei, hat aber zu wenige risikobereite Geldgeber.

Die Kosten für erneuerbare Energien sinken schon seit Jahren, während Kohle, Gas und Öl ebenso stetig steigen. Inzwischen sind sie auf gleicher Höhe. Eine Kilowattstunde Strom aus modernen Windrädern kostet nur noch etwas mehr als aus einem Kohlekraftwerk. Und dabei sind keinerlei Kosten der Kohle für den Treibhauseffekt und die abgebaggerten Landschaften eingerechnet.

Wenn die erneuerbaren Energien und die Treibhausgastechniken aber schon gleich auf liegen, braucht es nur ein wenig Hilfe von außen: Die Politik soll weltweit endlich eine Klimasteuer einführen - ob nun wie die EU per Emissionshandel oder per direkter Steuer an der Quelle ist zweitrangig. Bei 30 Dollar für eine Tonne CO2 etwa wäre die Kohle innerhalb weniger Jahrzehnte aus dem Markt gefegt.

Und Jahrzehnte wird es brauchen: Solarenergie deckt weltweit nicht einmal 0,01 Prozent des Energieverbrauchs. Wenn die Photovoltaik wie derzeit jährlich um mindestens 50 Prozent wächst, sind wir im Jahr 2020 bei einem Prozent. Schon fünf Jahre später allerdings wäre der Solarstrom bei zehn Prozent. Zum Vergleich: Die 50 Jahre alte Atomkraft deckt derzeit etwa drei Prozent des weltweiten Energieverbrauchs, Nummer eins ist das Erdöl mit 40 Prozent. Eine so erneuerte Energiebranche wird Arbeitsplätze schaffen. Wie viele genau, lässt sich kaum abschätzen - aber es dürften mehr und vielfältigere Stellen sein als Ölbohren oder Kohlebaggern. Damit würde der Reichtum aus dem Energiesektor auch breiter verteilt als derzeit.

Die vielen Milliarden gilt es von den Bankkonten in Forschung und Entwicklung zu saugen. Es gibt prominente Vorreiter. Die Walton-Familie, im Nebenberuf Eigner des Einzelhandelsriesen Wal-Mart, hat den größten Hersteller von Dünnschicht-Solarzellen, First Solar, mit einem Milliardengewinn an die Börse gebracht. Klimaprophet Al Gore sammelte allein schon eine knappe Milliarde Dollar für seinen Generation Investment Fund.

Biosprit aus gentechnisch veränderten Algen, bezahlbare Autobatterien, solare Großkraftwerke so billig wie Kohlestrom - Firmen, die mit so etwas kurz vor der Marktreife stehen, schwimmen schon jetzt im Investorengeld. Das erinnert an den Boom bei der Telekommunikation vor einigen Jahren. Nun ist die Telekombranche ein Beispiel, wie Anleger viel Geld verlieren können. Jedes Glasfaserkabel wurde mit Milliardengewinnen an Anleger weitergereicht. Aber die Kommunikationsbranche erfuhr danach einen unerhörten Schub - vom Handy bis zum Internet-Breitbandanschluss.

Anleger werfen ihr Geld immer jemandem in den Rachen - warum nicht der Klimabranche? Hier ist die Politik gefragt: Will sie fördern oder bremsen? Die Risikokapitalisten aus Kalifornien sind mit ihrer Regierung auf einer Linie. Die dortige Umweltbehörde hat diese Woche einen umfassenden Plan vorgelegt, wie der US-Staat seinen Ausstoß an Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 um 25 Prozent reduziert (www.wir-klimaretter.de). Bei uns hingegen bremsen die Wirtschaftspolitiker alles aus, was nach einer zügigen Förderpolitik für Klimatechnik aussieht.

Die Technik allein wird uns nicht retten, wir werden schon auch unsere Lebensweise ändern müssen. Dieses Konsumthema ist für Banker zu langfristig und für Politiker zu gefährlich. Aber sie können sofort ihren Beitrag zum technischen Teil der Lösung leisten.

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Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.

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