Schlappe für Atomaufsicht: EnBW klagt sich zum Erfolg

Grundsatzurteil: Betreiber dürfen nicht gezwungen werden, Atomkraftwerke sofort herunterzufahren, wenn die Grenzwerte überschritten sind.

Zu unbestimmt sollen die Auflagen für das Akw Philippsburg gewesen sein. Und damit rechtswidrig Bild: DPA

Das AKW Philippsburg muss beim Verstoß gegen Grenzwerte nicht sofort abgeschaltet werden. Dies entschied am Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil. Die Entscheidung gilt auch für andere AKWs und begrenzt die Möglichkeiten der Atomaufsicht, besonders scharfe Auflagen zu erlassen.

Im Jahr 2001 stand das AKW Philippsburg in Nordbaden schwer in der Kritik. Nach einem Störfall kam heraus, dass der Reaktor im Anschluss an Inspektionen regelmäßig hochgefahren wurde, ohne dass die Notkühlung gesichert war.

Im März 2005 setzte der damalige Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) scharfe Auflagen gegen den Philippsburg-Betreiber EnBW durch: Immer wenn Grenzwerte oder andere Anforderungen zur Störfallbeherrschung nicht eingehalten sind, müsse der Betrieb sofort vorläufig eingestellt werden. Das CDU-geführte Umweltministerium von Baden-Württemberg fand diese Auflagen zwar "politisch-ideologisch", musste sie auf Weisung von Trittin jedoch an EnBW weitergeben. EnBW beschritt jedoch sofort den Klageweg und hatte in allen Instanzen Erfolg. Schon im Dezember 2005 erließ der Verwaltungsgerichtshof Mannheim eine einstweilige Anordnung, mit der er die Auflagen aussetzte. Im März 2007 erklärte er die Auflagen für rechtswidrig. Gestern nun bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz die Ablehnung.

Die Richter hatten zwei Kritikpunkte. Zum einen hielten sie die Auflagen für zu unbestimmt. Aus der Genehmigung könne der Betreiber nicht ersehen, welche Grenzwerte und Anforderungen konkret für die Beherrschung von Störfällen relevant seien. Das Umweltministerium konterte, dass ein fachkundiger Betreiber "schon wisse, was gemeint ist". Doch dies ließen die Richter nicht gelten. Dem Betreiber müsse klar und deutlich gesagt werden, "wann und unter welchen Voraussetzungen" er den Reaktor herunterfahren muss.

Außerdem sei die pauschale Forderung nach Betriebseinstellung übermäßig hart. Wenn der Reaktor "unabhängig von der Schwere der Überschreitung und der Bedeutung des nicht eingehaltenen Kontrollwerts" stets stillgelegt werden müsse, verstoße dies gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Nur in einem Punkt gewann die Atomaufsicht den Prozess. Zu Recht durfte sie von EnBW verlangen, dass die Behörden immer sofort informiert werden, wenn gesicherte Erkenntnisse "Zweifel an dem Nachweis der Störfallbeherrschung" wecken. Ein Sprecher von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) versuchte das Urteil deshalb sogar als "Erfolg für die Atomaufsicht" zu verkaufen. Sein Argument: Wenn die Behörden rechtzeitig informiert werden, dann sei es eben ihre Aufgabe, bei einem "Gefahrenverdacht" den Reaktor vorläufig zu schließen.

Das Bundesumweltministerium hatte schon nach Erlass der einstweiligen Anordnung Ende 2005 seinen Plan aufgegeben, für alle deutschen AKWs ähnliche Auflagen zu erlassen. Eine vergleichbare Weisung wie in Philippsburg bestand nur für das hessische AKW Biblis. Sie dürfte nun aber auch vom Tisch sein. Az.: 7 C 38.07

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