Kommentar Betancourt-Befreiung: Abschied vom Guerilla-Mythos

Durch die Befreiung Betancourts steht Kolumbiens Präsident Uribe so gut da wie nie. Seine Gesinnungsgenossen ziehen daraus den falschen Schluss, es brauche noch mehr Repression.

Die Befreiung von Ingrid Betancourt und ihren 14 Leidensgenossen ist für das kriegsgeschüttelte Kolumbien die bislang beste Nachricht in diesem Jahr. Daran besteht kein Zweifel, auch wenn der rechte Präsident Álvaro Uribe dadurch so glänzend dasteht wie noch nie. Seine Gesinnungsgenossen, auch in Europa, ziehen daraus den Schluss, als Antwort auf soziale Probleme bräuchte es noch mehr Repression, in Kolumbien und anderswo.

Das wäre fatal. Denn aus der immensen Kluft zwischen Arm und Reich, die Uribe mit seiner neoliberalen Wirtschaftspolitik noch verschärft hat, konnte selbst die politisch degenerierte Farc noch ein Quäntchen Legitimität schöpfen. Das jetzige Szenario in Kolumbien stellt die Linke in Lateinamerika deshalb vor besondere Herausforderungen. Dies gilt vor allem für Uribes ideologische Kontrahenten Hugo Chávez in Venezuela, Rafael Correa in Ecuador und Evo Morales in Bolivien. Spät, allzu spät haben sie den bewaffneten Kampf der Farc als Irrweg verurteilt - und das auch immer erst als Reaktion auf die militärischen Rückschläge der kolumbianischen Guerilla.

Damit lagen sie auf einer Wellenlänge mit all jenen "Antiimperialisten", die die Farc - aus Unkenntnis oder Überzeugung - immer noch als aufrechte Kämpfer gegen den Imperialismus wahrnehmen wollten. In jenen Kreisen, in denen der Revolutionsrhetorik von Nicaraguas Comeback-Staatschef Daniel Ortega mehr geglaubt wird als den Berichten über sein zutiefst korruptes, mit der harten Rechten verbündetes Regime, stieß schon die Farc immer noch auf Resonanz.

Im Falle Kolumbiens wurde zudem oft übersehen, dass sich mit der Linkspartei "Alternativer Demokratischer Pol" eine attraktive Opposition zu Uribe herausgebildet hat. Da die Farc auch nach ihrem Führungswechsel politisch wie gelähmt scheint, müssen jetzt die rosaroten Regierungen aus Südamerika aktiv werden. Ingrid Betancourt hat Chávez, Correa und die Argentinierin Cristina Fernández de Kirchner bereits aufgefordert, auf die Rebellen einzuwirken. Aber auch die europäischen Regierungen bleiben gefordert: Sie müssen in Kolumbien wieder verstärkt auf zivile Lösungen setzen - gerade jetzt.

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