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Prozess gegen Siemens-Manager"Augen zu und durch"

Siemens-Vorstände hätten von Hinweisen auf Schmiergeld nichts wissen wollen, sagt ein Ex-Korruptionsbekämpfer des Konzerns. Sie seien dann pampig geworden.

Man muss ja nicht alles wissen, so als Vorstand Bild: ap

Es ging um gravierende Probleme in der Gesprächsnotiz, die der damals oberste Korruptionsbekämpfer im Hause Siemens im Juli 2005 an Vorstände weiterleitete. Albrecht Schäfer informierte die Manager darüber, dass die Liechtensteiner Ermittler wegen des Verdachts auf Bestechung gegen Siemens nachforschen würden. Wenn der Konzern nicht kooperiere, könne es zu Durchsuchungen und Befragungen in München kommen. Personalvorstand Jürgen Radomski reagierte schnell. Er antwortete in einer pampigen Notiz an Schäfer: "Bitte keine Papiere mehr".

Der gestrige Verhandlungstag vor dem Landgericht München machte deutlich, wie umfassend zumindest einzelne Vorstände des Münchner Elektronikkonzerns Siemens schon früh über die Korruption in ihrem Haus informiert waren, mit welcher Vehemenz sie aber alle Hinweise darauf abblockten.

Schäfer, in den 1990ern Leiter der Rechtsabteilung, ab 2004 Chef des Compliance Office, stellte in seiner Aussage detailliert da, wie er die Vorstandsmitglieder schon früh über schwarze Kassen und Unregelmäßigkeiten bei Beraterverträgen informiert hatte. Schon 2001 habe er Finanzchef Heinz-Joachim Neuburger über Ermittlungen wegen Geldflüssen von Siemens-Konten auf Schweizer Konten des nigerianischen Diktators Sani Abacha informiert. Als in späteren Jahren sich die Ermittlungen wegen schwarzer Siemens-Konten häuften, habe er den gesamten Vorstand in seinem Jahresbericht zusammenfassend informiert. Seine Forderungen, von dem System der indirekt bezahlten Beraterverträge Abstand zu nehmen, seien nicht umgesetzt worden.

Während auf Vorstandsebene nur wenig gegen das Korruptionsproblem getan wurde, gehörten die schwarzen Kassen für viele Siemens-Mitarbeiter des mittleren Managements offenbar zum Alltag. Der ehemalige kaufmännische Vertriebsleiter der Mobilfunksparte erzählte gestern vor Gericht, wie er angewiesen wurde, neue Wege zu finden, Geld verdeckt an Berater im Ausland zu leiten. "Das haben wir dann auch getan: eine Lösung gesucht", sagte er. Er habe sich dann an Reinhard S. gewandt, der ihn in das Schwarzgeld-System eingeweiht habe. Reinhard S. ist der Angeklagte im Prozess, der derzeit in München stattfindet. Er steht wegen Untreue vor Gericht und gilt als Organisator des Schwarzgeldsystems.

Schäfer sagte, er habe sich mehrfach dafür eingesetzt, den Beratervertrag zwischen Siemens und S. aufzulösen. Er habe sich dafür an den Vorstand der Kommunikationssparte Thomas Ganswindt gewandt. Doch der blieb untätig. Es sei intern auch der Vorschlag diskutiert worden, eine Strafanzeige gegen Reinhard S. zu stellen. Er selbst habe sich dagegen ausgesprochen, sagte Schäfer. "Es war nicht denkbar, dass er so ein Konstrukt ohne Rückendeckung anderer aufbauen konnte."

Schäfer war als letzter Zeuge geladen. S. hat nach eigenem Geständnis 53 Millionen Euro in schwarze Kassen umgeleitet.

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