Ecuadors neues Grundgesetz: Verfassung für den Präsidenten
Ecuadors neues Grundgesetz sollte eine linke "Bürgerrevolution" verankern. Nun gilt es Kritikern als Absicherung des Machtanspruchs von Präsident Correas.
BERLIN taz Ecuadors "Bürgerrevolution" geht in eine neue Etappe. Acht Monate lang hat der Verfassungskonvent getagt. Am heutigen Donnerstag soll der Konvent das neue Grundgesetz verabschieden. Einige Stellen des Entwurfs, auf den sich das Gremium am Samstag nach einer fast 20-stündigen Marathonsitzung geeinigt hatte, sind allerdings noch im Regierungslager umstritten. In Kraft tritt die Verfassung, wenn sie die EcuadorianerInnen in einem Referendum am 28. September dieses Jahres annehmen.
Angestrebt wird eine Neuordnung und Stärkung staatlicher Instanzen und damit das "Ende der langen neoliberalen Nacht", das Präsident Rafael Correa seit seinem Amtsantritt Anfang 2007 immer wieder beschwört.
Lange Zeit war es gelungen, Fehler wie in Venezuela und Bolivien zu vermeiden, wo allzu forsches Vorgehen der Präsidenten Hugo Chávez und Evo Morales Misstrauen gegenüber dem Verfassungsprozess geschaffen hatte. Chávez scheiterte Ende 2007 mit dem Versuch, eine im kleinen Kreis ausgetüftelte "sozialistische" Reform der Verfassung per Volksabstimmung absegnen zu lassen. In Bolivien entschied sich Morales dafür, das neue Grundgesetz nach einer Dauerblockade im Konvent im Alleingang durchzusetzen. Dadurch spielte er jedoch der rechten Opposition in die Hände.
In Ecuador hingegen wurde Partizipation ganz groß geschrieben - allerdings nur bis vor einem Monat. Alberto Acosta, der neben Staatschef Correa bislang wichtigste Protagonist des linken Reformprojekts, hatte als Präsident des Verfassungskonvents immer wieder auch die oppositionellen der insgesamt 130 Abgeordneten in die Debatte eingebunden, obwohl die Regierungsfraktion über eine bequeme Zweidrittelmehrheit verfügt. Die Bürger konnten sich durch Eingaben an eine der zehn Arbeitsgruppen oder über das Internet beteiligen. Die Folge: Es ging langsam. Und da der Konvent in Vertretung des 2007 beurlaubten Parlaments auch noch legislative Aufgaben übernehmen musste, war bis Mitte Juni nicht einmal ein Fünftel des Verfassungstextes verabschiedet.
Daraufhin setzte der Staatschef den 26. Juli als Endtermin für die Verabschiedung der Verfassung durch - und Acosta trat als Konventspräsident zurück. Er sei nicht bereit, die Debatte und die Qualität des Textes dem Zeitdruck zu opfern, sagte der rot-grüne Ökonom. Rückendeckung erhielt er bis zuletzt von den Indígenas, die etwa ein Drittel der Bevölkerung stellen.
Sieben Monate lang hatte der 60-jährige Intellektuelle Delegationen am Tagungsort Montecristi empfangen, im ganzen Land auf Tagungen und in der Presse für den Verfassungsprozess geworben. Auf seine Initiative hin wurden in der neuen Verfassung die Rechte der Natur verankert - ein weltweites Novum. "Die westliche Gesellschaft betrachtet die Natur nicht als Ganzes, sondern vor allem als Ressourcen, die ausgebeutet, verkauft oder gekauft werden müssen", sagte er der taz, "ähnlich wie früher die Sklaven."
Im Tauziehen mit Correa, der einen klassischen Wachstumskurs verfolgt, unterlag Acosta am Ende. In den nächsten Wochen will er dennoch für ein Ja bei der Volksabstimmung werben, denn "die Verfassung ist nicht von Correa oder für Correa, sie gehört dem ecuadorianischen Volk". Entscheidend sei zudem ihre Umsetzung in der Gesellschaft, und da stehe man noch ganz am Anfang.
Der Sozialdemokrat León Roldós, der das Plenum am Samstag aus Protest gegen die "Dampfwalze" der Regierungsfraktion verlassen hatte, formuliert schärfer. "7 Monate und 20 Tage lang haben wir gut über Rechte und Prinzipien gearbeitet, aber in den letzten 10 Tagen wurden Dinge zum Staatsaufbau hineingeschrieben, die wir nie im Plenum diskutiert hatten", klagt er. So könne der Präsident künftig etwa auch bei der Besetzung der neu eingerichteten Transparenz- und Kontrollinstanzen mitbestimmen.
Rafael Correa sieht die Verfassung vor allem als machtpolitisches Instrument. Wird die Hürde des Verfassungsreferendums genommen, finden Anfang 2009 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt, die die rechte Opposition auf dem falschen Fuß erwischen dürften. Danach könnte sich der Staatschef noch einmal wiederwählen lassen und dann bis 2017 amtieren.
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