piwik no script img

Langsam & komfortabelRollendes Wohnzimmer

In 70 Tagen um die halbe Welt: Auf der langen Fahrt im knallroten Luxusbus nach Peking entstehen Eindrücke fürs Leben. Im Bus sitzen ist Kino, draußen laufen ständig wechselnde Filme

Zwischen Turfan und Hami in der Wüste Gobi Bild: Wolfram Goslich

Hans-Werner zieht seinen Translator aus der Tasche. Es ist nicht einfach, nach zwei Tagen Reise durch Xinjiang eine Wassermelone im Restaurant zu bestellen. Im "Wilden Westen" Chinas sehen die Menschen westliche Besucher eher sehen. Die Kellnerin schaut auf das Display, ist verwirrt. Aber als das chinesische Wort für Wassermelone aus dem Gerät erklingt, legt sich ein Lächeln über ihr Gesicht. Überhaupt Lächeln, der erfolgreichste Weg, mit Menschen hier in Kontakt zu kommen.

FREIBURG - PEKING

70 Tage von Freiburg nach Peking auf der Seidenstraße. Avanti Reisen aus Freiburg führt die Reise im 5-Sterne-Luxusbus mit Übernachtungen in 3- bis 5-Sterne Hotels, durchgängiger Reiseleitung und Programm durch. Im Herbst 2010 geht es von Freiburg in 80 Tagen um die halbe Welt nach Hongkong. Weitere Infos unter www.avantireisen.de

Hans-Werner von Wedemeyer und seine Frau Thea gehören sicherlich zu den ungewöhnlichsten Chinareisenden, die gegenwärtig im Land unterwegs sind. Sie sind im äußersten Nordwesten via Kasachstan eingereist und seit 50 Tagen aus Deutschland unterwegs - in einem knallroten Luxusbus.

Eine fast beiläufig wahrgenommene Zeitungsnotiz war es, die auch Ulrike dazu brachte, ihre Planung für die nächsten zwei Jahre umzustellen. Stationsschwester in einem Freiburger Krankenhaus zu sein, heißt, mit wenig Geld, Urlaub und zusätzlichen freien Tagen auszukommen. Auch sie ist seit 1. Juni unterwegs. Sie ist die jüngste in der Gruppe von 27 Reisenden, die auf dem Landweg von Freiburg nach Peking fahren. Der Bus, das bequeme rollende Wohnzimmer - fast eine Art Mehrgenerationenhaus. Sitzgruppen, First Class Sitzabstand mit dem besten Café zwischen Patras und Peking. Während der langen Reisetage sitzen verteilt im Bus kleine Gruppen, lesen, schreiben, reden miteinander oder genießen einfach nur die an den großen Panoramascheiben vorüber ziehende Landschaft.

Manchmal sieht es aus wie im ICE. Laptops surren für den laufenden Bericht über die lange Reise, von den Reisenden selbst aktualisiert und bei nächster Gelegenheit für alle abrufbar unter busblog.athen-peking.de ins Netz gestellt. Die Bordbibliothek am Mitteleingang bietet Stoff zum Schmökern. Ulrike ist vertieft in eine Erzählung über die Zeit der Kulturrevolution, während Thea endlich mal Zeit hat, in Ruhe auf der Karte die Route nachzuverfolgen.

Eine bunte Mischung - Sekretärinnen, Krankenschwestern, Softwareunternehmer, pensionierte Justizbeamte, Sozialarbeiter, Journalisten und Lebenskünstler, es ist nie langweilig. Und nach fast 50 Tagen immer noch harmonisch. Da passen die Leute einfach zusammen, im Bus ist viel Platz, sagt Thea von Wedemeyer, mit über 80 Jahren die älteste Teilnehmerin.

"Natürlich ist es auch anstrengend, mit so vielen Menschen zu reisen.", sagt Ulrike, früher typische Rucksackreisende. "Du machst immer wieder Kompromisse, darfst nicht zu spät kommen, würdest gerne hier mal eben schnell aussteigen, lieber erst in 2 Tagen weiterfahren, mal nur deinen Rhythmus haben. Aber mal ganz ehrlich - alleine wäre ich gar nicht hier."

Unterwegs auf einem Markt Bild: Wolfram Goslich

Turfan - 150 Meter unter dem Meeresspiegel, 48 Grad im Schatten, auf den ersten Blick eine trostlose Ansammlung einfallsloser Architektur. Am späten Nachmittag, als die Hitze nachlässt, das Leben wieder so richtig erwacht, geht es auf den Basar. Die Luft brennt, ein einziges Durcheinander. Die Hauptstrasse wird neu geteert, der Gehweg neu gepflastert, alles bei laufendem Verkehr. Leute kommen aus Geschäften, deren Eingang gerade neu gemauert wird. "Hello, do you speak English?" Diesmal kein Kind, sondern ein Lehrer aus Turfan, der Ulrike anspricht. Einfach neugierig, Englisch zu sprechen und etwas aus der Fremde zu erfahren, stellt sie fest. Erstaunt, dass er sehr direkt etwas über die knallharten Arbeitsbedingungen, das wenige Geld und über Tibet erzählt. "Wir haben doch gar kein Geld für die Olympiade", fährt er fort. Ein Arbeiter verdient im Schnitt monatlich etwa das, was Ulrike in 3 bis 4 Tagen auf der Reise ausgibt.

Im Bus sitzen ist Kino. Draußen laufen ständig wechselnde Filme - Hügelketten, eben noch Pappelhaine und Baumwollfelder mit Wasser aus den schneebedeckten Fünftausendern. Schlagartig Geröllwüste, ohne Bewässerung geht hier gar nichts. Getrocknete Melonen an Stangen aufgehängt, Werbetafeln so groß wie Einfamilienhäuser. Unmengen zerdepperte Flaschen auf der Straße, modische Klamotten in denen junge Chinesinnen stecken, die auf Elektromopeds vorbeisirren. Reifenstapel vor Werkstätten, Internetcafés und schmuddlige Fernfahrerrestaurants. Chinesen sind wahre Transportkünstler. Fahrräder quer auf dem Moped, LKW's hochgetürmt überladen, halbe Baumstämme auf dreirädrigen Motorrädern und Taxis ohne Ende, meist VW Passat.

Mittagsrast? Essen vorbestellen in China ist schwierig und auch unnötig. Der Bus hält vor einem kleinen Restaurant an der Fernstrasse 312. Essen für 25 Leute? Unser Reiseleiter spricht kurz mit dem Koch, der schlachtet schnell 4 Hühner, und eine halbe Stunde später gibt es Gebratenes.

Unsere Straße nach Osten windet sich durch ein enges Tal, wo an einem der größten asiatischen Verkehrsprojekte gearbeitet wird - der Autobahn vom Chinesischen Meer nach Moskau. Über hunderte von Kilometern erstreckt sich die gigantische Baustelle. Tausende von Wanderarbeitern, darunter viele Frauen, leben in Verschlägen und Jurten direkt auf der Trasse - neben Moniereisen für Brücken und Dämme. Betonwände werden mit der Hand auf wackligen Leitern verputzt. Hangsicherung für die Trasse ist selbstverständlich vorhanden, aber keine Sicherung für die, die sie anbringen. Helme, Fehlanzeige. Frauen ziehen schwer beladene Schubkarren.

Kinder in Quingshin Bild: Wolfram Goslich

Über 4.800 Kilometer ist die Straße eine der wichtigsten Lebensadern. Parallel dazu wird die Eisenbahn elektrifiziert, nur einen Kilometer entfernt von unseren Panoramafenstern wird die Erdgaspipeline nach Westen verlegt.

Noch 3 Wochen bis Peking, 12 Hotels, etwa 4.000 Kilometer - und Eindrücke fürs ganze Leben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!