piwik no script img

Öffentliche BeschäftigungKunst macht viel Arbeit

Auch die Kulturszene soll vom öffentlich geförderten Beschäftigungsektor (ÖBS) profitieren: 300 Stellen für Langzeitarbeitslose spendiert der Senat vor allem für kleine Projekte und Initiativen. Kulturstaatssekretär: eine "super Nachricht". Grüne mäkeln.

Tolle Kulturjobs: Fotografieren, Ausstellung konzipieren, Bilder aufhängen, vielleicht sogar Eintrittskarten abreißen Bild: AP

Der Weg zum Job

Wer einen der 300 Jobs bei Kultur-Projekten erhalten will, muss seit zwei Jahren arbeitslos gemeldet sein und innerhalb der letzten zwölf Monate durchgängig Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") erhalten haben. Von diesen strikten Vorgaben gibt es nur wenige Ausnahmen - etwa für Menschen, die nur kurz kein Arbeitslosengeld II bekommen haben. Freie Jobs werden direkt bei den Projekten und auf der Webseite www.berliner-kulturarbeit.de ausgeschrieben. Jede Stelle wird mit 1.300 Euro brutto bezahlt, die Arbeitszeit liegt je nach Qualifikation zwischen 30 und 40 Stunden pro Woche. Die Mitarbeiter werden voll sozialversicherungspflichtig beschäftigt, zahlen also Beiträge an die Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Wer anschließend wieder arbeitslos wird, landet nicht wieder direkt bei Hartz IV, sondern erhält ein Jahr lang Arbeitslosengeld I. HEI

Der Senat will 300 neue Stellen für Langzeitarbeitslose bei Kulturprojekten schaffen. Kulturstaatssekretär André Schmitz sprach am Freitag bei der Vorstellung des Projektes von einer "super Nachricht" für die Kulturszene der Stadt: "Politik und Verwaltung haben begriffen, dass Kultur ein wichtiger Faktor für diese Stadt ist." Die Stellen mit einem Bruttolohn von 1.300 Euro im Monat sind auf drei Jahre befristet. Sie sind Teil eines Programmes, mit dem der Senat einen staatlich finanzierten Beschäftigungssektor für gemeinnützige Dienstleistungen aufbaut.

Vor allem die Kulturszene jenseits des Mainstream könnte von dem Programm profitieren: Die Jobs sollen vorwiegend bei kleinen freien Trägern entstehen und nicht in den großen Kultureinrichtungen. Derzeit steckt das Land Berlin von seinem Kulturetat in Höhe von 380 Millionen Euro nur zehn Millionen Euro in die Künstlerförderung, die vor allem der freien Szene zugutekommt. Durch das neue Projekt kommen nun sechs Millionen Euro hinzu - und es ist gut möglich, dass bei einem Erfolg mehr als 300 Stellen geschaffen werden und zusätzliches Geld fließt.

Die neuen Mitarbeiter sollen etwa die Öffentlichkeitsarbeit eines Projektes aufbauen, das Management professionalisieren, in der Technik hinter der Bühne arbeiten oder in einer Schule ein Kulturprojekt anbieten. Dass auch Stellen für die Künstler selbst entstehen, werde "eher die Ausnahme sein", so Schmitz.

Die Stellen sollen zusätzlich entstehen, also keine bereits existierenden Jobs ersetzen. Außerdem sollen die Stellen gemeinnützig sein, also dem öffentlichen Interesse dienen. Das Land schafft die Stellen im Rahmen des Bundesprogrammes "Kommunal-Kombi". Dadurch trägt das Land nur rund die Hälfte der Kosten, gut 30 Prozent übernimmt der Bund und den Rest die EU. Insgesamt sollen bis Ende des Jahres 1.000 Jobs über das Programm "Kommunal-Kombi" entstehen, davon 500 als Verkehrsbegleiter bei BVG und S-Bahn. Insgesamt will das Land in den nächsten Jahren 7.500 bis 9.000 Stellen schaffen im staatlich finanzierten, gemeinnützigen Dienstleistungsektor, der vom Senat als öffentlich geförderter Beschäftigungssektor (ÖBS) bezeichnet wird.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig findet die Unterstützung der Kultur durch den Kommunal-Kombi "begrüßenswert". Sie ist aber skeptisch, ob das Projekt wirklich ein Erfolg wird und kritisiert, dass das Projekt nur für Langzeitarbeitslose offen steht, die seit zwei Jahren ohne Job sind und mindestens ein Jahr lang Hartz IV bezogen haben. Gerade bei Kulturprojekten gebe es viele Leute, die "unter Selbstausbeutung als Selbstständige oder zu niedrigen Löhnen arbeiten, dadurch kein Hartz IV beziehen und so von dem Programm ausgeschlossen sind". Auch für Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Die Linke) ist dieser Aspekt "ein Problem". Doch da dies eine vom Bund gesetzlich vorgegebene Einschränkung ist, könne das Land Berlin daran nichts ändern.

Die Abwicklung des Programmes läuft über den gemeinnützigen Kulturförderverein Förderband. Dort können sich ab sofort freie Träger, Einzelpersonen oder Initiativen melden, die eine Stelle schaffen wollen. Der Verein prüft, ob die Stelle wirklich gemeinnützig und zusätzlich ist. Die ersten Stellen sollen bereits ab dem 1. September entstehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • SH
    S. Heiser

    Hallo Schneider,

     

    das ist richtig - bei den bisherigen ÖBS-Jobs nach § 16a SGB II gab es hinterher kein Arbeitslosengeld I. Beim Kommunal-Kombi wird das ausdrücklich anders sein.

     

    Beste Grüße

    S. Heiser

  • H
    Hospel,Bernhard

    Ihren Kommentar hier eingeben Brauche endlich wieder einen Job drei Jahre MAE bring`ts auch nicht.Will endlich wieder unterweg`s sein und etwas mit meiner Erfahrung die ich gesammelt habe aktiv sein dürfen.Auf die Kuturarbeit in Berlin habe ich ein scharfes Auge mit meinen 57 Jahren ich habe mich sofort Beworben -(ÖBS)-hoffentlich klappt`s.

  • MK
    @Michael Klein

    Hallo Michael,

     

    ich glaube eine MAE ist kein Hinderungsgrund zur Bewerbung, die ABM wäre wohl nen Hinderungsgrund, daher könntest du evtl. doch versuchen dich zu bewerben. Aber prüf das doch einfach nochmal durch nen anruf.

  • S
    Schneider

    "Der Weg zum Job

    ...Wer anschließend wieder arbeitslos wird, landet nicht wieder direkt bei Hartz IV, sondern erhält ein Jahr lang Arbeitslosengeld I."

     

     

    Wer einer Arbeitsgelegenheit nachgeht wie z. B.

    1-Euro-Job (MAE), MAE-Entgelt, ABM oder ÖBS mit 1.300 € Brutto, hat danach keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I.

     

    Derjenige wird während der o. g. Arbeitsgelegen-heiten nicht mehr in der Arbeitslosenstatistik beim Jobcenter erfaßt;

    aber als arbeitssuchend geführt und muß so laut Aussagen Betroffener, sich weiterhin für den ersten Arbeitsmarkt bewerben.

  • G
    Gudix

    Da sieht man s mal wieder. Die Kreativstützis bekommen vom Senat das Geld in den Arsch geschoben, und die Kreativen, die nicht stützen, die Freiberufler, Selbständigen und Praktikanten, müssen darben. Daß Berlin Hauptstadt der Stützis ist, wundert mich nicht; hat man hier doch als Stützi ein wirklich schönes Leben, kriegt sogar noch Jobs, für die sich Normalsterbliche gar nicht erst bewerben dürfen.

  • MK
    Michael Klein

    Gehöre auch zu den Langzeitarbeitslosen und würde mich gerne für dieses Projekt bewerben, werde aber da nicht berücksichtigt, da ich vom 16.7.2007 bis einschließlich 14.1.2008 einen MAE-Job hatte und in dieser Zeit in der Arbeitslosenstatistik nicht auftauchte!

  • S
    Schneider

    Der Weg zum Job

     

    "...Wer anschließend wieder arbeitslos wird, landet nicht wieder direkt bei Hartz IV, sondern erhält ein Jahr lang Arbeitslosengeld I."

     

    Das trifft nicht zu. Bei Jobs im ÖBS entsteht kein Anspruch auf ALG I.