Kompromiss auf der Welthandelskonferenz: Fortschritt, aber kein Durchbruch
Sechs Staaten und die EU haben sich in Genf auf einen Kompromiss geeinigt - die Zustimmung der anderen Länder ist jedoch fraglich.
GENF taz Bei den Genfer WTO-Gesprächen hat sich eine Gruppe von sieben Mitgliedern der Welthandelsorganisation auf einen Kompromiss in den Hauptstreitpunkten geeinigt. Der Vereinbarung vom Wochenende sollen die übrigen 146 Mitglieder bis Mittwoch zustimmen. Mehrere wichtige Staaten signalisierten bereits ihre Ablehnung.
Der Kompromiss auf Basis eines Vorschlages von WTO-Chef Pascal Lamy wurde von der G 7 (EU, USA, China, Indien, Japan, Brasilien und Australien) vereinbart. Lamy hatte die Verhandlungen, an denen seit Beginn am letzten Montag zunächst 35 der 153 WTO-Staaten beteiligt waren, am Mittwoch in die G 7 verlegt. Danach akzepieren die USA für Subventionen an ihre Farmer eine Obergrenze von 14,5 Milliarden US-Dollar jährlich, nachdem sie zu Beginn der Genfer Verhandlungsrunde 15 Milliarden angeboten hatten. Die EU muss ihre Agrarsubventionen um 80 Prozent auf 22 Milliarden Euro reduzieren. Ihre Zölle auf Agrarimporte müssen USA und EU um 70 Prozent senken. Die EU hatte ihr ursprüngliches Angebot einer Zollsenkung von 54 Prozent bereits auf 60 Prozent verbessert.
Im Gegenzug stimmten die drei in der G 7 vertretenen Schwellenländer China, Indien und Brasilien einer deutlichen Senkung der Zölle für Industriegüter zu. 86 Prozent aller bislang existierenden Zollgrenzen müssen auf die Obergrenze von 25 Prozent des jeweiligen Warenwertes abgesenkt werden. Eine "Antikonzentrationsklausel", die die EU auf Betreiben Deutschlands verlangt hatte, soll verhindern, dass die verbleibenden 14 Prozent der Einfuhren, bei denen auch künftig noch Zölle über 25 Prozent erlaubt sind, auf eine oder wenige Produktlinien konzentriert werden.
Laut Lamy wurde der Kompromiss der G 7 am Samstag auch von den 35 zunächst an der Genfer Verhandsrunde beteiligten Staaten gebilligt. Argentiniens Außenminister Jorge Taniana erklärte jedoch, der Kompromiss sei in seiner "gegenwärtigen Form" nicht akzeptabel. Erhebliche Kritik kam auch von den afrikanischen Staaten, die als einzige regionale Ländergruppe überhaupt nicht bei den Verhandlungen der G 7 vertreten waren. Von den Teilnehmern der G-7-Verhandlungen äußerten sowohl die USA als auch Indien im Nachhinein Unzufriedenheit über die "nicht ausreichende" beziehungsweise die "zu weit gehende" Vereinbarung über die Senkung der Industriezölle in den Schwellen-und Entwicklungsländern. Von den 27 EU-Staaten äußerten Frankreich, Italien und Irland zum Teil erhebliche Bedenken gegen den vorgesehenen Abbau der Agrarsubventionen und -zölle.
Nichtregierungsorganisationen wie Attac, Germanwatch und der Evangelische Entwicklungsdienst kritisierten die Kompromisse im Agrarbereich angesichts der deutlich gestiegenen Nahrungsmittelpreise hingegen als "unzureichend". Sie wiesen darauf hin, dass die vereinbarte neue Obergrenze für Subventionen in den USA mit 14,5 Milliarden Dollar immer noch doppelt so hoch liegt wie die 7 Milliarden Dollar, die die Regierung von Präsident George W. Bush im letzten Jahr tatsächlich an die Bauern ausgezahlt hat. Auch die Obergrenze von 22 Milliarden Euro für die EU liegen nur knapp unter der Summe, die die EU 2007 für Agrarsubventionen ausgab.
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