Baugruppen: Senatorin rührt die Werbetrommel
Beim Besuch einer Baugruppe in Kreuzberg erneuert Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer ihr Ziel, Grundstücke zum Festpreis zu vergeben. Die Grünen erklären das Vorhaben für gescheitert.
Die Sommertour zu ausgewählten Bauprojekten hat ihr der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) mit seiner Kritik an der Alexa-Fassade und den Kaugummis am Alexanderplatz vermasselt. Nun hat Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) die Konsequenzen gezogen. Bei ihrem Lieblingsthema Baugruppen will sie die guten Botschaften selbst verkünden. Außer ihrer Sprecherin Manuela Damianakis hat sie zum Pressetermin am Dienstag in der Kreuzbergstraße 12 niemanden mitgebracht.
Gute Botschaften hat Junge-Reyer beim Thema Baugruppen allerdings dringend nötig. Noch im Mai musste ihre Staatssekretärin Hella Dunger-Löper im Hauptausschuss einräumen, dass es für vier der fünf vom Liegenschaftsfonds angebotenen Grundstücke keine Interessenten gebe. Und das war noch nicht alles. Am 9. August berichtete die taz, dass das fünfte Grundstück in der Ackerstraße 29 vom Liegenschaftsfonds nicht an eine Baugruppe, sondern an andere Interessenten vergeben worden sei. Dabei fiel auch der Name der Modedesignerin Jette Joop. Wegen verschiedener Probleme habe man auf die Ackerstraße 29 verzichtet, sagte Damianakis damals zur taz: "Wir wollten Positivbeispiele."
In dieser Situation kommt das Projekt "Haus und Hof" in Kreuzberg gerade recht. Fünf dreigeschössige Reihenhäuser und ein Doppelhaus sind im November im Blockinneren zwischen Mehringdamm, Kreuzbergstraße, Großbeerenstraße und Hagelberger Straße fertig gestellt worden. Alle haben sie einen kleinen Garten und eine Dachterrasse. "Wir sind Stadtmenschen und wollten nicht auf die grüne Wiese, sondern in Kreuzberg bleiben", freut sich Michael von Petrykowski, der mit seiner Familie eines der Häuser bewohnt. Und Ingeborg Junge-Reyer freut sich mit: "Unser Ziel ist es, jungen Familien ein Angebot zu machen, damit sie in der Stadt bleiben können."
In Kreuzberg scheint dies kein Problem zu sein. "265.000 Euro hat das 1.700 Quadratmeter große Grundstück gekostet", sagt der Architekt Alois Albert, der das Baugruppenprojekt initiiert hat. Das macht einen Quadratmeterpreis von 155 Euro. Darin enthalten ist bereits ein Aufschlag von 25 Prozent, den der Liegenschaftsfonds verlangt hat, damit das Grundstück direkt vergeben werden konnte. "Der Kaufpreis für die Bauherren betrug schließlich 2.100 Euro pro Quadratmeter", freut sich Albert.
Aber auch teurere Grundstücke seien für Baugruppen machbar. "Das Problem ist nicht der Preis", sagt Albert, "sondern die Zeit, die man braucht, um den Kaufvertrag zu unterschreiben." Weil Baugruppen oft lange brauchten, um zueinanderzufinden und die Finanzierung zusammenzubekommen, seien sie gegenüber herkömmlichen Projektentwicklern im Nachteil.
Die Grünen sind da weniger optimistisch. "In Berlin funktionieren Baugruppen nur dann, wenn die potenziellen Partner kräftig genug sind, sich in offiziellen Ausschreibungen gegen finanzkräftige Investoren durchzusetzen", schimpft der grüne Haushaltspolitiker Oliver Schruoffenegger. Er erklärt Junge-Reyers Baugruppenpolitik deshalb für gescheitert.
In der Tat verlangt der Liegenschaftsfonds für seine Baugruppengrundstücke zwischen 124 und 1.000 Euro pro Quadratmeter. Letztere werden für ein Grundstück in der Borsigstraße verlangt, das anstelle der bereits verkauften Ackerstraße ins Baugruppen-Portfolio aufgenommen wurde. Viel zu teuer, finden nicht nur die Grünen, sondern auch viele potenzielle Bewerber.
Inzwischen gibt es aber auch für die Baugruppengrundstücke des Liegenschaftsfonds erste Interessenten, bestätigt Junge-Reyers Sprecherin, Damianakis. Wie viele es sind, bleibt ein Geheimnis. Obwohl die Bewerbungsfrist bereits am 14. August ablief, will der Liegenschaftsfonds erst am 27. September Näheres bekannt geben. Einer aber will in der Borsigstraße unbedingt dabei sein: Architekt Alois Albert. "Das ist ein tolles Grundstück. Dafür bewerben wir uns."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“