Kommentar Obamas "running mate": Sieger mit Vernunft

Obama hat mit der Wahl Bidens die Jungen und Frauen seiner Partei vor den Kopf gestoßen. Doch seine Wahl war nötig, um McCain den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Change - das war gestern. Heute geht es nur noch ums Gewinnen. Das ist die Botschaft, die sich aus Barack Obamas Wahl des Vizes herauslesen lässt, ist Joe Biden doch ein Mann des Washingtoner Establishments. Mit dessen Ernennung zum running mate hat sich Obama von der Idee des Neuanfangs verabschiedet. Dass das vor allem bei seinen jüngeren Fans, also jenen, denen er seinen bisherigen Wahlerfolg verdankt, nicht gut ankommt, ist Obama klar. Daher sagt er nun leicht verschwurbelt, Joe Biden habe zwar 35 Jahre lang den US-Kongress verändert, sei von diesem selbst aber nicht verändert worden.

Düpiert fühlen sich zu Recht auch die US-Demokratinnen. Es ist Obama zwar nicht zu verdenken, dass er seine erbitterte Gegnerin Hillary Clinton nicht ernstlich für den Vizeposten in Betracht gezogen hat. Aber dass er mit seinem Männerticket die Frauen, die sich schon im Weißen Haus sahen, ganz außen vor lässt, hat die Ladys mit ihm eher nicht versöhnt.

Doch trotz alledem: Obamas Wahl ist vernünftig. Mit der Wahl Joe Bidens - dessen Macht als Vize eher symbolischer Natur ist - nimmt Obama seinen Kritikern aus dem republikanischen Lager den Wind aus den Segeln und verleiht seiner Kandidatur die Seriosität, die seine Gegner ihm absprechen. Ihr wichtigstes Argument gegen den Jungsenator ist seine Unerfahrenheit, vor allem in sicherheitspolitischen Fragen. Da kommt Bidens Reputation als vernünftiger Außenpolitiker und Vorsitzender des Auswärtigen Senatsausschusses gerade recht. Den letzten Anstoß zu seiner Nominierung hat im Obama-Lager womöglich die Krise in Georgien gegeben. Hier blieb der demokratische Hoffnungsträger nämlich erschreckend blass, was sein Gegenspieler, der Republikaner John McCain, säbelrasselnd zu einer erheblichen Verbesserung seines Images - und seiner Umfragewerte - nutzen konnte.

Mit Biden, so hofft Obama nun, kann in der großen, weiten Welt bis zum 4. November kommen, was will. Sein Vize wird schon das Richtige dazu sagen. Schließlich, und darauf kann Barack Obama wetten, geht es allen Demokraten zusammen, egal ob Fundis oder Realos, zunächst nur um eines: den Einzug ins Weiße Haus.

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