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Osseten vertreiben GeorgierBrennende Dörfer, plündernde Milizen

In Südossetien sowie in der von der russischen Armee eingerichteten "Pufferzone" auf georgischem Kernland mehren sich Hinweise auf systematische Vertreibungen georgischer Einwohner.

Das Haus dieser Georgierin in Südossetien wurde geplündert und angezündet. Bild: ap

ZCHINWALI taz Wer aus Russland auf der Hauptstraße in die südossetische Hauptstadt Zchinwali fährt, kommt an den Dörfern Kurta, Tamarascheni, Kechwi und Adschabeti vorbei. Hier lebten bislang Georgier. Heute sind diese Dörfer ein Trümmerfeld. Hier und da steigt Rauch auf. Die Häuser wurden zuerst zerstört, dann in Brand gesteckt. Die Überreste lassen nicht auf Kriegshandlungen schließen, sondern auf nachträgliche, systematische Vernichtung. Uniformierte bewachen die Zufahrten und lassen niemanden hinein. Panzerartillerie ist auf die Dörfer gerichtet.

Planmäßige "ethnische Säuberungen" von Georgiern, die auf südossetischem Gebiet lebten, wirft auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) den südossetischen Behörden vor, unter Berufung auf seine Mitarbeiter sowie auf Satellitenaufnahmen von Unosat, einem Programm der UNO, das Satellitenfotos für die Katastrophenhilfe bereitstellt und auswertet. HRW-Vizedirektorin Rachel Denbe berichtet, ihre Mitarbeiter hätten gesehen, wie georgische Dörfer von südossetischen Truppen geplündert und anschließend niedergebrannt worden seien. Die entsprechenden Unosat-Fotos, aufgenommen am 19. August, sind weltweit zugänglich.

Am größten sind die Schäden, so Experten von Unosat, in der Ortschaft Tamarasheni. Dort seien 177 Gebäude zerstört oder schwer beschädigt worden. Bereits am 13. August hatte die in Moskau erscheinende Nowyje Iswestija berichtet, dass Einheiten des südossetischen Innenministeriums das Dorf Nul geplündert und die Häuser anschließend in Brand gesteckt haben. Zuvor hatten HRW-Mitarbeiter in mehreren von Georgiern bewohnten Dörfern Plünderungen durch ossetische Milizen gesehen.

Ein Reporter der britischen Times berichtete am Donnerstag auch von ethnischen Säuberungen außerhalb von Südossetien. In der von der russischen Armee eingerichteten "Pufferzone" zu dem abtrünnigen Gebiet sei es wiederholt zu Übergriffen gegen dort lebende Georgier gekommen. Viele Dorfbewohner seien in die nahegelegene Stadt Gori geflohen. Bis Donnerstag wurden 2.300 Vertriebene aus dem betreffenden Gebiet in Gori vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR registriert.

Südossetiens Präsident Eduard Kokojty weist die "Gerüchte über ossetische Säuberungen in georgischen Dörfern in Südossetien" zurück. "Wir achten die Menschenrechte der nationalen Minderheiten und aller anderen", wird er von der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti zitiert. Das hat schon einmal anders geklungen: Man habe vor der Schleifung der georgischen Siedlungen den Bewohnern einen humanitären Korridor geöffnet, sagte Kokoity letzte Woche. Kokoity, ein ehemaliger Profi-Ringkämpfer und Türsteher, gibt sich kaum Mühe, die Vorgänge zu verschleiern. Die georgischen Enklaven in Südossetien waren den Machthabern in Zchinwali immer ein Dorn im Auge gewesen.

Den Ruinen an der Straße nach Zchinwali ist anzusehen, dass die Umgebung ein Schaustück hergeben sollte. Neue Bauten aus Glas und Beton zeugten von bescheidenem Wohlstand. Georgien versuchte damit die in Armut lebenden Südosseten zu locken, damit sie ihren Widerstand gegen die Zentralgewalt in Tiflis aufgeben.

Osseten kamen ursprünglich, nachdem sie sich im 18. Jahrhundert in die Obhut des Zarenreichs begeben hatten, aus Russland als Flüchtlinge und Siedler über den Kaukasus in den Süden, wo sie sich neben Georgiern niederließen. Eine eigene Verwaltung Südossetien erhielten sie in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts - die Belohnung Moskaus dafür, dass sie sich gegen die kurzlebige menschewistische "Demokratische Republik Georgien" (1918-21) in Tiflis erhoben hatten. Daraus ergibt sich ihre Treue gegenüber Moskau.

Zu Beginn des jüngsten Krieges war von südossetischer Seite wiederholt von georgischen Übergriffen berichtet worden. Heckenschützen hätten von vier georgischen Dörfern auf der Straße zwischen Zchinwali und Dschava aus auf flüchtende Osseten geschossen. Ebenfalls zu Beginn des Krieges hatte der russische Außenminister Sergei Lawrow der georgischen Seite ethnische Säuberungen vorgeworfen.

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