Kommentar Bundesdruckerei: Lehrstück ohne Konsequenzen
Kurzfristige finanzielle Interessen haben die Bundesdruckerei innerhalb weniger Jahre ruiniert - die Allgemeinheit trägt die Konsequenzen. Bei der Bahn könnte es ähnlich laufen
D er Staat freut sich auf Milliardeneinnahmen, das Unternehmen erwartet eine erfolgreiche Zukunft, ein Investor verspricht langfristiges Engagement, die Gewerkschaften vertrauen auf eine Arbeitsplatzgarantie: Der Verkauf der Bundesdruckerei durch die rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2000 war eine Privatisierung wie aus dem neoliberalen Bilderbuch.
Malte Kreutzfeldt ist Ressortleiter in der taz-Redaktion Ökologie und Wirtschaft.
Acht Jahre später liest sich die gleiche Geschichte wie ein Lehrstück von Privatisierungsgegnern. Nicht ein Klischee ließ der Finanzinvestor Apax aus: Er zahlt nur ein Viertel des Kaufpreises selbst und bürdet sogar diesen Teil später der Bundesdruckerei als Schulden auf. Für Provisionszahlungen an Banken und für Honorare an Expolitiker wie den Grünen Ludger Volmer wird in großem Umfang Geld aus dem Unternehmen gezogen.
Später werden Teile veräußert, die Belegschaft mehr als halbiert. Nachdem sich kein ausreichend zahlungswilliger inländischer Investor findet, übernimmt die Regierung das Unternehmen schließlich wieder - um einen Verkauf der sicherheitsrelevanten Technik ins Ausland zu verhindern.
Aus dem Desaster ließen sich viele Lehren ziehen. Die Politik, so erweist sich einmal mehr, ist bereit, für kurzfristige finanzielle Vorteile große Risiken einzugehen - sofern diese sich erst in ferner Zukunft auswirken. Wenn alle Beteiligten - Politik, Unternehmensvorstände, Gutachter und Banken - von einem Verkauf direkt profitieren, ist eine objektive Entscheidung kaum möglich.
Und die Privatisierung wichtiger öffentlicher Aufgaben ist besonders riskant, weil der Staat im Falle des Scheiterns gezwungen ist, wieder in die Bresche zu springen, um den Schaden zu begrenzen.
Dennoch ist ein Umdenken nicht in Sicht. Stattdessen steht mit der Deutschen Bahn das nächste Kernstück staatlicher Infrastruktur unmittelbar vor dem Verkauf - obwohl es auch hier nicht an berechtigten Warnungen mangelt.
Doch was solls: Der Staat freut sich auf Milliardeneinnahmen, das Unternehmen erwartet eine erfolgreiche Zukunft, Investoren sollen sich langfristig engagieren, die Gewerkschaften vertrauen auf eine Arbeitsplatzgarantie. Das Bilderbuch der Privatisierungen erhält ein weiteres Kapitel.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!