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Bahn kippt BedienzuschlagMehdorn knickt ein

Nach Intervention des Bundes gibt die Bahn nach: Wer sein Ticket am Schalter kauft, muss auch künftig keine Extragebühr bezahlen.

Wer sich nicht abmühen will, für den gibt es weiterhin kostenlose Schalterbedienung Bild: dpa

Berlin ap/taz Gegen den Zuschlag hatte sich zuvor massiver Protest geregt. "Die DB hat am heutigen Freitag entschieden, keinen Zuschlag für den personenbedienten Verkauf einzuführen", hieß es in einer Erklärung. Hintergründe der Entscheidung wurden darin nicht genannt. Nach Medienberichten war der Bahn-Vorstand am Vormittag zu einer Krisensitzung zusammengekommen.

Die Allianz Pro Schiene nahm die Nachricht positiv auf. "Wir begrüßen die Entscheidung. Eine unnötige Barriere für Bahnkunden wird gar nicht erst aufgebaut", sagte Geschäftsführer Dirk Flege in einer ersten Reaktion.

Die Bahn hatte geplant, pro Ticket 2,50 Euro zu erheben. Beim Kauf einer Hin- und Rückfahrkarte wären dann 5,00 Euro fällig geworden.

Auch Verbraucherminister Horst Seehofer hatte die Bahn zur Rücknahme ihrer Pläne für die Einführung eines Bedienzuschlages aufgefordert. Dies sei "aus einer Reihe von Gründen komplett abzulehnen", erklärte der CSU-Politiker am Freitag in Berlin.

Seehofer sagte, ein Blick auf die Tarifstrukturen in anderen Ländern wie Österreich, Schweiz, Spanien oder Frankreich zeige, dass keines einen Bedienzuschlag von seinen Kunden verlange. "Vorgesehen ist eher das Umgekehrte, nämlich statt eines Zuschlags bei Bedienung am Schalter wird ein Rabatt gewährt, wenn die Kunden selbst buchen, zum Beispiel am Automaten oder per Internet", sagte Seehofer.

Einen Bedienzuschlag pauschal und unabhängig von der Entfernung zu veranschlagen, sei hochproblematisch, kritisierte er. Gerade im Regionalverkehr würde das zu erheblichen Preiserhöhungen führen.

Seehofer wies außerdem auf die Rechtsprechung im Bankenbereich hin. Der Bundesgerichtshof habe Schaltergebühren immer wieder für unzulässig erklärt. "Überträgt man die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze aus dem Bankenbereich auf den Bedienzuschlag, erscheint dessen rechtliche Wirksamkeit zweifelhaft", sagte der Minister.

Nach Informationen der Tageszeitung Die Welt hatte Kanzlerin Angela Merkel mit Bahn-Chef Hartmut Mehdorn telefoniert und dabei deutlich ihr Unbehagen über die Bedienzuschläge zum Ausdruck gebracht.

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9 Kommentare

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  • A
    ARE

    Das erinnert mich an die Einführung der Studiengebühren: davor waren die meisten Vorlesungen voll, uninteressant oder nicht buchbar, danach kostete das fast(!) gleiche Szenario Geld. Einzigster Unterschied: es kommen jetzt etwas weniger Leute, weil einige eingesehen haben, dass man sein gutes Geld besser nicht für schlechte Dienstleistungen ausgibt.

  • M
    moon

    Es geht doch nicht darum, ob jemand die Mühe scheut, sich mit der Technik auseinanderzusetzen! Ein Automat kann nun mal nicht mit mir sprechen und mich z.B. über Auslandspreise, besonderere Anforderungen (z.B. Reisen mit Behinderungen etc.) informieren. Das ist nun wahrlich etwas zu kurz gedacht.

  • HS
    Hartmut Spiesecke

    Nach meiner Kenntnis ist es heute schon 5 Euro teurer, eine Fahrkarte am Schalter statt im Internet zu kaufen. Und in der Tat spart die Bahn ja Aufwand, der Kunde spart Geld.

    Hartmut Spiesecke

  • WN
    Warum nicht London?

    Der Verdienzuschlag der Bahn wurde also zurück genommen und - wie man hört - in einer 2-zeiligen

    Pressemitteilung bekanntgegeben.

    Weshalb dann eigentlich eine Krisensitzung in Berlin?

    Warum nicht London, wo der Zuachlag bei einer Aufsichtsratssitzung beschlossen wurde?

    Oder ganz einfach, um Zeit und Geld für die Anreise

    der Teilnehmer zu sparen, per Telefonkonferenz?

    Ach so: Berlin ist eine Reise wert.

  • B
    Bahnkunde

    Wer die Mühe scheut, sich mit Internet oder Automat anzufreunden, es sich nicht traut oder aus Trotz erst gar nicht versuchen will, sich auf neues einzulassen, der soll ruhig die Gebühr zahlen. Auf die Älteren muß man dabei keine Rücksicht nehmen, denen man die neue Technik teilweise wirklich nicht zumuten muß. Denn diese sparen ja an anderer Stelle deutlich Geld ein, jeder Verkehrsverbund bietet günstige Seniorentarife an.

  • M
    Martin

    Ich rege mich über die Politiker auf, die sich damit mal wieder mit billiger Kritik beim dummen Wähler einschleimen. Oh, die Kanzlerin ruft bei Mehdorn an und stoppt die Gebühr, tolle Frau, die packt's an ... Man könnte fast meinen, das ganze wäre inszeniert.

     

    Wer mehr Kosten verursacht, soll auch mehr zahlen, das ist grundsätzlich nicht falsch. Wer sich mit Automaten, Computer oder Internet nicht auskennt - wie z.B. viele Senioren - ist auch an vielen anderen Stellen schon benachteiligt und zahlt mehr, etwa im Laden statt im Internetshop samt Preisvergleich. Ich als Nichtschalterbahnkunde will nicht den Service mitbezahlen, den andere brauchen. Senioren beispielsweise sparen an vielen anderen Stellen Geld, man denke an die ermäßigten Eintrittsgelder im Kino, Theater, Landesgartenschau ...

     

    Übrigens zahlt man schon heute am Schalter 2 Euro extra beim Schönes-Wochenende-Ticket und anderen regionalen Sondertickets, das ist nix neues.

     

    Und jetzt der Hammer der Volksverblödung: Nun ist geplant, daß stattdessen Internet- und Automatenkunden einen Rabatt von 2,50 bekommen. Und ich bin sicher, die Politiker sind zufrieden. Dumm nur, es ist das allergleiche: am Schalter sind's 2,50 mehr.

  • T
    Tricky

    Bahnfahren wird immer mehr zum Luxus.

    Bahnfahren ist nicht nur teuer, sondern kostet auch viel Zeit.

    Der Zeitvertreib beginnt mit einem Suchspiel nach dem richtigen

    Tarif und endet dank der zuverlässigen Unpünktlichkeit als Reise

    ins Ungewisse. Warum sollte man da auf das Auto verzichten?

    Mein Verdacht: Mehdorn macht die Bahn bewusst unattraktiv, um

    die Privatisierung zu verhindern.

    Ganz schön tricky, dieser Mehdorn.

  • CE
    Christoph E.

    wunderbar...ein kleiner Vorgeschmack was die armen Bahnabhängigen erwartet wenn erstmal der Börsengang vollzogen ist und "der Vorstand" alle genialen Ideen zur Gewinnmaximierung ausprobieren darf, von denen man in London auf dem Flughafenklo gehört hat.

    Als nächstes kommen Bezahltoiletten in den Zügen, das bringt sicher auch 100 Millionen.

  • IB
    irene banse

    Nun wird schon das Öl und damit Benzin und Diesel immer teuerer und die Deutsche Bundesregierung hält es immer noch nicht für nötig, die fahrgastfeindliche Privatisierung der Bahn zu stoppen. Es sind doch schon die Bahnstrecken in der Fläche amputiert worden, es fahren doch schon kaum noch Omnibusse, will der deutsche Finanzkapitalismus die Inquisition des Mittelalters, einer Bindung der Leibeigenen in den Umkreis zur Sichtnähe des örtlichen Kirchturms wieder einführen ?

    Mehdorn und seine Bagage vom Bahnvorstand in Hartz4 abschieben und die Bahn zurück in Volkeshand, meine ich.