Nach Plügers Abwahl: CDU bald basisdemokratisch
CDU-Mitglieder fordern mehr Mitbestimmung und ein Ende von Kungelrunden im Hinterzimmer. Noch-Chef Ingo Schmitt hat angekündigt, Anfang 2009 zurückzutreten:
In der aktuellen Krise der Berliner CDU entdecken die Mitglieder den Geschmack der Basisdemokratie. Mehr als 220 Christdemokraten fordern, dass "in Zukunft die Mitglieder über wichtige Sach- und Personalfragen direkt mitentscheiden". Die Unterzeichner, zu denen die frühere Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John, Ex-Finanzsenator Peter Kurth und der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière gehören, fordern einen Mitgliederentscheid über den nächsten Landesvorsitzenden. Die Mitglieder "sind es leid, Berichte über die in keiner Satzung vorgesehenen Kreisvorsitzendenrunde zu lesen, in denen angeblich über das Schicksal der Berliner CDU entschieden wird".
Der neue CDU-Fraktionsvorsitzende Frank Henkel verteidigte die Runde der Kreisvorsitzenden. Es handele sich um Menschen, die sich dort ehrenamtlich "aus Verantwortung für die Partei und das Gemeinwohl" engagierten, um Konflikte zu lösen.
Die Kreisvorsitzenden hatten in der Nacht von Sonntag auf Montag sechs Stunden lang in einem Spandauer Hotel mit Friedbert Pflüger getagt. Sie stellten ihn vor folgende Wahl: Entweder die Kreisvorsitzenden fordern ihn gemeinsam öffentlich dazu auf, seine Kandidatur als Landesvorsitzender zurückzuziehen, oder er zieht sofort freiwillig zurück. Pflüger entschied sich für die zweite Option, revidierte die Entscheidung aber noch am Montagnachmittag: Es sei ein "fauler Kompromiss", der nur "unter großem Druck" zustande gekommen sei.
Noch am gleichen Tag schlugen die Kreisvorsitzenden wieder zu. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es: Der Kompromiss sei nicht faul gewesen und er sei auch nicht unter großem Druck zustande gekommen.
An diesem Freitag dann gab es direkt vor der Sitzung des CDU-Landesvorstandes eine weitere informelle Runde der Kreisvorsitzenden. Dort diskutierte die Runde über das Angebot von Parteichef Ingo Schmitt, sein Amt vorzeitig zum Anfang des nächsten Jahres zur Verfügung zu stellen. Es habe dazu breite Zustimmung gegeben, sagte hinterher der Kreisvorsitzende von Reinickendorf, Frank Steffel.
Die unzufriedenen CDU-Mitglieder fordern einen Neuanfang: Statt "Posten und persönlicher Pfründe einzelner Funktionäre muss eine bessere Politik zum Wohle Berlins im Vordergrund stehen". Man sei es leid, "dass in diesen Hinterzimmerrunden herausragende Persönlichkeiten der Berliner CDU abserviert wurden und dadurch dem Erscheinungsbild seit Jahren erheblicher Schaden zugefügt wird. Das Herz der Berliner CDU sind wir - die Mitglieder."
Song über Pflüger und die CDU
Im Internet kursiert inzwischen ein sehenswertes Video des Köpenickers Robert Mietzner, der die Chaos-Tage in der CDU in einem Song auf die Schippe nimmt. Im Refrain heißt es über Pflüger: "Doch so schnell, wie er da war, war er auch wieder weg."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!