Play08: Die digitale Werkzeugkiste

Auf der "play08", einem nichtkommerziellen Festival für Computerspiele in Potsdam, sollen Kinder ihre kreativen Potenziale erproben können - und Erwachsene ihr Misstrauen verlieren

Computerspiele und Kreativität - auf der play08 geht das zusammen Bild: AP

Mit einem Bleistift bewaffnet macht sich Carsten daran, sein eigenes Computerspiel auf einem Blatt Papier zu entwerfen: "Mein Spieler ist ein Held, der den Schlangenbeschwörer besiegen muss", umreißt der zwölfjährige Potsdamer seine Idee. "Auf dem Weg dahin muss er böse Wölfe mit einem Schwert erschlagen und Extrapunkte sammeln." Schnell notiert er sich alles und klappt den Laptop auf. Mit einer speziellen Software und ruhiger Hand zeichnet er mit der Maus die Figuren, weist ihnen Bewegungsabläufe und Tastenkombinationen zu. Haucht ihnen digitales Leben ein. Sechs Stunden braucht er, dann läuft das Spiel. Es ist ein einfaches Spiel, aber er hat es selbst gemacht. Der kleine Programmierer lächelt stolz.

Carsten ist Besucher der "play08", einem nichtkommerziellen Festival für kreatives Computerspielen in der Fachhochschule Potsdam. Vier Tage lang kann man hier mit interaktiven Spielfiguren einen Film drehen, eigene Spiele entwickeln oder die Kulisse eines Ballerspiels zum digitalen Physiklabor umwandeln. Dabei soll die Kreativität von Kindern und Jugendlichen und das Verständnis von Erwachsenen gefördert werden. "Wir wollen vor den Spieleherstellern ansetzen und keine fertigen Games spielen", beschreibt auch Mitinitiatorin Tina Ziegler die Intention.

Organisiert wird das Festival ehrenamtlich von einer Gruppe Künstler, Medienpädagogen und Filmemachern aus ganz Deutschland. 2007 hatten sie sich in der Initiative "Creative Gaming" zusammengeschlossen, einer Art Pendant zur "Games Convention" der Leipziger Computerspielmesse. Ihr Ziel ist ein regelbefreiter Umgang mit Computerspielen. "Alle reden immer nur von Sucht", so Ziegler. Aber niemand sehe die kreativen Potenziale in Computerspielen.

Am Tisch gegenüber von Carsten werden seine Klassenkameraden Clauvi und Ramasan hinter ihrem Bildschirm plötzlich aufgeregt und rufen nach "Herrn Auge". Sie würden den Vogel nicht zum Fliegen bringen. Herr Auge heißt eigentlich Peter Auge Lorenz, kommt aus Berlin und ist Comiczeichner. Während der "play08" betreut er freiwillig einige Workshops. Ein paar Mausklicks später ist den beiden Elfjährigen geholfen. Auf die Frage, wie sie denn ihre Computer zu Hause nutzen würden, antworten die beiden unisono: "chatten, YouTube, zocken".

Dass sie von ihrer Schule hierher geschickt wurden, finden sie klasse. Begeistert basteln sie zum ersten Mal an einem eigenen Computerspiel. Ihre Idee: Mit einer horizontal beweglichen Kanone sollen Vögel vom Himmel geschossen werden. "Aber wird man von Vogelkacke getroffen, gibt es Minuspunkte", warnt Clauvi und muss selber laut lachen. Am Nachbartisch zerbricht man sich da lieber den Kopf über ein Luftkissenbootrennen.

Ein Stück weiter, hinter einem schwarzen Vorhang, sitzt der Medientechniker Jakob Kopczynski. Die Schüler in seinem Workshop versuchen einen Machinima zu drehen. Machinimas sind Filme, die mithilfe gängiger Computerspiele erstellt werden. Dabei wird das Spiel zum Drehort. "Die Kids müssen hier eine eigene Geschichte erfinden, Figuren entwickeln und schließlich filmisch in Szene setzen", erklärt der 32-jährige Hamburger. Abschließend müssen sich alle Drehteams einer Vorführung und den Kritiken der kleinen Kollegen stellen. War es bei Herrn Auge noch recht laut zugegangen, rauchen hier still die Köpfe. Man ist konzentriert, schließlich will sich keiner blamieren.

Einen speziellen Workshop für Lehrer bietet auf dem Festival die Bundeszentrale für politische Bildung an. Sie will den Erwachsenen die Skepsis vor den Spielen nehmen. Das geht nur, indem die Lehrer verschiedene Spiele austesten und bewerten. Medienpädagogen stehen ihnen zur Seite und stellen Strategien vor, wie die Spiele im Unterricht angesprochen und verwendet werden können. Für viele seien sie noch immer ein rotes Tuch, hat Ziegler festgestellt. "Dabei ist jedes Spiel ein digitaler Werkzeugkasten, der nur so überquillt von neuen Möglichkeiten." Und das könne in der Schule gut genutzt werden.

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