Grüner Finanzexperte über Bankenkrise: "Bisher gibt es kein Notfallsystem"
Die größte Bankenkrise seit 1929 kann nicht einfach weggelächelt werden, meint der grüne Finanzexperte Gerhard Schick. Er fordert einen Untersuchungsausschuss.
taz: Herr Schick, Sie fordern einen Untersuchungsausschuss im Bundestag, der den Kollaps der Mittelstandsbank IKB im Zuge der Finanzkrise untersuchen soll. Was ist das Ziel?
GERHARD SCHICK, 36, ist Diplomvolkswirtschaft- ler und finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag.
Gerhard Schick: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück versuchen, die größte Bankenkrise seit 1929 einfach wegzulächeln. Wir brauchen Aufklärung über die Ursachen und Folgen.
Die Regierung verhält sich unverantwortlich?
Wir haben es mit Schäden für die Steuerzahler zu tun wie nie zuvor. Allein bei der IKB in Düsseldorf erwartet das Bundesfinanzministerium Kosten für die Allgemeinheit von 10,8 Milliarden Euro. Wieso konnte die deutsche Bankenaufsicht nicht rechtzeitig die Notbremse ziehen? Diese und andere Fragen müssen dringend geklärt werden.
Sind der Verlust der IKB und der Sachsen Bank nicht Kleinkram im Vergleich zu dem, was in den USA passiert?
Noch haben wir Glück im Unglück. Um Schlimmeres zu verhindern, muss die deutsche Bankenaufsicht aus ihren Fehlern lernen. Bisher ist sie dazu nicht bereit.
Ein Untersuchungsausschuss braucht Monate oder Jahre. Gibt es nicht bessere Methoden, an die Informationen zu kommen?
Nein, im Finanzausschuss des Bundestages kommen wir nicht weiter. Die Regierung mauert mit dem Hinweis auf ihre Geheimhaltungspflicht.
Welche Fehler hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) gemacht?
Sie hat die milliardenschweren Risiken bei der IKB und der Sächsischen Landesbank nicht rechtzeitig erkannt.
Wäre die Bankaufsicht dazu in der Lage gewesen, wenn sie gewollt hätte?
Nur teilweise. Denn bisher war es den Banken gestattet, bestimmte Risikogeschäfte in Tochtergesellschaften auszulagern, die nicht in der Bilanz erschienen. Das müssen wir dringend ändern.
Welche weiteren Schritte zur besseren Regulierung des Finanzmarktes schlagen Sie vor?
Die Banken sollen risikoreiche Transaktionen mit größeren Summen Eigenkapitals absichern. Das machte solche Geschäfte teurer, die Institute würden dementsprechend vorsichtiger. Außerdem brauchen wir auf europäischer Ebene klare Zuständigkeiten, damit die unterschiedlichen Institutionen im Notfall schnell und koordiniert reagieren können. Solch ein Notfallsystem gibt es bisher nicht.
Wäre es sinnvoll, dass der Staat neue Finanzprodukte testet und genehmigt, bevor sie auf den Markt kommen?
Damit wäre er überfordert. Die Finanzaufsicht muss aber in die Lage versetzt werden, die Risiken zu verstehen, die mit den neuen Finanzprodukten und Wertpapieren zusammenhängen.
Die US-Notenbank hat dem Versicherungskonzern AIG in der vergangenen Woche 85 Milliarden Dollar geliehen, um dessen Pleite zu verhindern. Zeigt diese Größenordnung, dass möglicherweise nicht nur die Banken, sondern auch die Regierungen mit dieser Krise finanziell schon überfordert sind?
Nein, die Mittel, die Notenbanken und Regierungen zur Verfügung stehen, reichen aus, um eine große Krise einzudämmen. Aber man muss sie auch konsequent anwenden. In Deutschland und Europa ist das bisher nicht möglich.
INTERVIEW: HANNES KOCH
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