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Die Kaffeehauskette AranAufstand gegen Kaffeemaschinen

Die bloße Überschrift "Bio" zu wenig: Waren sollen nicht nur fair sein, sondern auch so aussehen. Bei der Kaffeehauskette Aran hat man das verstanden.

Neobiedermeier, und "Balsam für die Seele": Aran ist was für Luxuskonsumenten, für die alles teuer sein darf, aber öko sein muss. Bild: screenshot aran

Was für ein linder Herbsttag in dieser Stadt; in den Parks riecht es schon leicht modrig, schön. Oberhalb, vom Schwarzwald her, brist hin und wieder ein kühler Wind herunter nach Freiburg, aber er wird rasch eingefangen von dieser pastellen scheinenden Sonne, die wärmt und nicht erhitzt, die die Menschen herauskommen lässt zu Besorgungen, zum Einkauf für das Wochenende - und zur Geselligkeit hinter einem Bambuswald.

Bambus? Bitte? Ist das Klima jetzt übergeschnappt? Ausgerechnet in Freiburg? Nein, so tropisch ist dieses Musterstädtchen in Deutsch-Südwest denn auch nicht, doch eine Parade von neun Kübeln Bambussträuchern umsäumt eine Gruppe von Bänken und Tischen, die zu einem Kaffeehaus gehören. Es ist das Aran, und wer hier Platz nimmt, sieht aus, als hätte er oder sie längst alle, wirklich sämtliche Schäfchen ins Trockene geholt. Armut, Bedrängnis, Verzicht, Bitternis sind nicht die Worte für die Seins- und Gemütszustände, welche die Gäste dieses Hauses, ja, dieser verwinkelten, an Gassen und Sträßlein satten Stadt für ihre Leben nutzen können.

Hier sitzt zusammen, was es erst seit 30 Jahren gibt: die Schicht der ökologisch bewussten Bürger oder jener, die Ökologie für ihr Credo halten. "Aran" ist im Übrigen das keltische Wort für Brot, und das Keltentum, das als Fantasie ja die Idee von Ursprung und Natürlichkeit vor dem britischen Empire atmet, war und ist ja noch sehr beliebt. Es kann also kein Zufall sein, dass diese schönste, konsequenteste Kaffeehaus- und Brotimbisskette der Republik ihren geschäftlichen Ursprung im Bayerischen hat, jedenfalls in einer handwerklich-ländlichen Gegend, fern postindustrieller Brachen.

Die Welt als Wille und Vokabular

Wer im Milieu der Ökos punkten möchte, baue folgende Vokabeln positiv ins Sprechen ein: Echtheit, Nachhaltigkeit, Balance, Wellness, Fairness, Eine Welt, Wärme, Kamin, Jazz, Sauerteig, Seele berühren, Einfachheit, Ursprünglichkeit, Werte, Empathie, Sonne, Holz, Arte, Wasser, Baumwolle, Duft, Tempo 100 auf Autobahnen, ganzheitliche Gesundheit, Nichtrauchen, frische Luft, Weichheit, Wir, Sexualität, Europa, Handwerk, Kräuter, Brotaufstrich.

Wer sich um alle Gunst unter Ökos bringen möchte, spricht positiv über: Dieter Bohlen und Castingshows, den neuen Audi-Sportwagen, auf den Putz hauen, Komasaufen, Kunststoff & Plastik, McDonalds, Pro7 und RTLII, freie Fahrt für freie Bürger, Marmelade und Nutella, Ellenbogeneinsatz, Weißmehlbrot, Cola, Heizpilz, Urbanität, Gestank, Lust und Hass, Ich, Neonlicht, Neon, Sex, Kneipendunst, Lärm, Härte, Industrie, Maggi, Amerika. JAF

Das Starbucks hat ja einen ähnlichen Charakter, auch das Balzac Coffee, wie überhaupt alle modernen Kaffeekettenfilialen nach dem Sterben von Stehcafés wie Tchibo oder Eduscho Ende der Achtzigerjahre, als die Caffèlattisierung der Republik begann, weil, Gott sei Dank, der Aufstand gegen miesen Kaffeemaschinenkaffee gewagt werden konnte: Es gab ja endlich italienische Lebensart auch oberhalb der Alpen zu kaufen.

Aber gegen das Aran wirken alle anderen, seine Vorläufer, halbherzig. Jede der Aran-Filialen - die Erfinder des Konzepts vergeben Lizenzen, in denen dies zur Auflage gemacht wird - muss an einem schönen Platz in einer Stadt angesiedelt sein. 1985 gründete die Familie Baur im oberbayerischen Chiemgau - die Frankfurt am Main satthatte - ihren Betrieb. Das Konzept: Man wollte Brot schmieren für Menschen, die Appetit haben auf Brot, das aus Sauerteig hergestellt wird. Nun war damals die Idee von einem Brot, das nicht mit chemischen Supertreibmitteln gefertigt wird, fast ausgestorben. Ähnlich wie beim Kaffee, der in Deutschland immer irgendwie auf den Magen schlug nach allzu vielen Stunden auf Wärmeplatten, war das Wissen, so geht die Fama, um ein gutes Brot tödlich bedroht.

Insofern verdienen die Unternehmer des Aran Respekt, das Wissen um Wohlgeschmack wieder belebt zu haben. Andererseits hätte das Konzept der Kette vor 40 Jahren niemals Erfolg gehabt. Damals war das Grüne, das Ökologische, das Gesundheitliche Sache älterer Tanten, die ins Reformhaus gingen und nachmittags zu Haferkeksen ungesüßten Sanddorntee tranken.

Das hat sich en gros und en détail verändert. Wer auf sich hält, wirbt mit dem Biosiegel, mit Hinweisen auf eigenes karitatives Tun in der Dritten Welt, mit einem extrem diversifizierten Geschmacksangebot inklusive der Möglichkeit, dem Kaffee Aromen per Sirupzugabe beizufügen. Kaffee ist das beliebteste Getränk der westlichen Welt, und der Caffè Latte hat die westliche Jugend zu einer Kohorte von Milchtrinkern herangezogen. Bevorzugten die eigenen Eltern dereinst noch Cola und Fanta zur Mittagszeit, körperlich schuftende Proleten gar ein frühes Bier, geht ohne Kaffee inzwischen gar nichts. Das haben Ketten wie Starbucks zu einem globalen Konzept verfeinert, aber ihre Produkte wirken, gemessen an denen ernsthaft feiner Läden, wie Schummeleien. Eine Verbrauchertäuschung quasi, wenigstens eine im Sinne des Anspruchs auf Echtheit und Einfachheit. Ist ja wahrscheinlich doch nicht aus Biomehl!, Der "Coffee of the Week" schmeckt ja so übel wie Mamas Kaffeemaschinengetränk!, Fieser, pelzig im Gaumen klumpender Marmorkuchen!

Die neobürgerlichen Schichten, für die sich Ökologie und Gesundheit und Wellness zu einer großen Erzählung verdichten, die nur die Überschrift "Bio" trägt, fanden das zu wenig. Man wollte doch weder mit Scheinangeboten aus Amerika etwas zu schaffen haben noch mit politischer Last, wo Öko sich nur auf bündnisgrün reimt. Ob es für sie reicht, das Kürzel "Loha" zu nehmen - zu übersetzen in etwa mit: Luxuskonsumenten, für die alles teuer sein darf, aber öko sein muss -, ist nicht belegt. Aber das Aran, ob in Freiburg, Überlingen, Ravensburg, Rosenheim oder München, bietet dieser, nun ja, Avantgarde, das gastronomische Angebot für alles, was andernorts als Fastfood oder Junknahrung begriffen wird. Aber: Schönheit braucht ihre Zeit.

Womit gesagt werden soll, dass eine Kette wie das Aran eine zivilisatorische Leistung darstellt, überhaupt alle Mühen, aus dem Essen und Trinken wieder eine Pracht zu machen; kein Zufall womöglich, dass gerade die alternative Linke die Slowfoodbewegung aus der Taufe zu heben verstand. Aber das Attribut "links" ist im Aran wie an den Tafeln alternativer Gastrofreunde eine eher ältliche Zuweisung. Qualität ist links und alternativ, das GuteWahreSchöne ist die Antwort auf die ungestellte Frage, ob das mit der Dönerisierung, der Burgerisierung des Lebens so weitergehen dürfe.

Im Aran kommen diese Lohas, nennen wir sie einfach so, zusammen. Still und eventuell sich sogar dessen bewusst, was sie tun: einen Dienst am besseren Leben. Nichts haben sie von Zerstörung an sich, sie sind das Publikum des Antipunk, sie haben keine Antenne für den alten Schlager "Macht kaputt, was euch kaputt macht".

Dass im Aran niemals Ärmliche sitzen, Menschen, die nach Not aussehen, ist nicht so wunderlich. In Freiburg und anderen grünen Hochburgen unterhalb des Mains spricht man über das Soziale, über Armut und Gerechtigkeit ohnehin nicht so spontan. Denn das Thema liegt dort nicht so in der Luft, und außerdem ist man doch von den Armen enttäuscht, wenn die doch das Gute im Aran nicht zu würdigen wissen. Wie neulich dort, als ein Paar, das in ihren Blousons aus Ballonseide eher wie Berlins Neukölln denn Ökogärtchen aussah, bemerkte, das Brot sei ja teuer … Teuer! Das ist doch keine Vokabel. Wussten sie aber nicht.

Dumm für sie. Lifestyle-Verlierer quasi, vom Fehlen des Habitus textiler Ökogediegenheit abgesehen - bloß nicht grell!, niemals laute Farben -, wissen sie nicht zu schätzen, dass sie als Alliierte für ein besseres Leben entfallen. Mit denen ist kein Öko zu haben, sie dürfen die Linken oder die SPD wählen, die Konservativen des Lebensstils, die Trottel des fairen Zeitgeistes.

Dass alle Bilder des Aran - man gönne sich einen Blick auf ihre Website - nur eines zeigen, ein nostalgisches Tableau, kann als Neobiedermeier, als Sehnsucht nach Verlorenem, gelesen werden. Auf der Startseite ist ein blond gelocktes Kind zu sehen. Ein Bild wie aus Omas Erinnerungskästlein. Aus einer Zeit, als die Welt heil war, alle irgendwie blond und sonnig waren, eine Ära, die als "Balsam für die Seele" (O-Ton Website) bewahrt wird. Als echte Arbeit noch schwielige Hände machte und Schweiß sich auf ehrlich reimte. Im Aran sitzen also Schreibtischtäter, immer darauf hinspeisend, die Welt wenigstens ein bisschen, Schluck für Schluck, Butterbrot für Butterbrot, besser zu machen.

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7 Kommentare

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  • AW
    Anita Wössner

    Leute, vergesst den Artikel. Hingehen, selbst testen, schmeckt's, gefällt's, passt's oder eben nicht? Dieses Gesinnungsgehabe halte ich für unergiebig. Aran ist was es ist - und will vermutlich mehr oder weniger auch nicht sein. Ich geh gern hin, wenn eins da ist, und bin jedes mal zufrieden. That's it.

  • Z
    zarl

    Jan Feddersen hat irgendein Problem mit seinen Mitmenschen... der Artikel liest sich, als ob er selber oft genug in diesen aran-Läden rumhing, und dann vermutlich ebendort von seiner Flamme abgeschossen wurde.

  • L
    Lupus

    Selten in der TAZ so eine schwachen Artikel gelesen. Habe nix mir Aran zu tun und war dort noch nie zu Gast, aber so schwachsinnige Pauschalurteile sind doch Argumentationsriten der 80er Jahre. Nee, nee, nee

  • A
    Andreas

    Selten hab ich einen so auf Platitüden und Vorurteile herumhämmernden Artikel in der taz gelesen. Vor allem, da aran (s. website) nix mit öko oder "fair gehandelt" zu tun hat. Mag sein, dass das luxuriös-modern-schlichte "interieur" und die anwesenden "lohas" bei uninformierten Gästen sofort Assoziationen an neo-öko weckt. Öko ist es aber faktisch trotzdem nicht...

  • A
    Anne

    Zuerst schon diese Einleitung "...Die bloße Überschrift "Bio" [ist] zu wenig: Waren sollen nicht nur fair sein, sondern auch so aussehen..." - und dann das Foto mit der "...Biedermeier..." -Untertextung.

     

    Sorry, dass ich meine Zeit erst gar nicht mit dem Lesen des Artikels verschwendet habe, denn allein das ist schon so dumm, dass ich schon lange nichts dümmeres zu diesem Thema gelesen habe:

     

    1. Nun was denn jetzt: Fair oder Bio?

     

    - Der Artikelanfang ist hier auf dem Niveau der Werbevolksverdummung, die einfach beides mischt, damit beides zu nichtssagender Reklame wird.

     

    Es gibt aber gute Gründe dafür, dass - z.B. - das Bio-Siegel und das TransFair-Siegel zwei verschiedene sind (um ein Beispiel zu nennen, das den Unterschied hoffentlich deutlich macht, obwohl es natürlicherweise Schnittmengen/Verzahnungen gibt, z.B. weil Umweltzerstörung letztlich auch Menschen schadet und insofern immer zugleich "unfair" ist, und umgekehrt Ausbeutung u. Armut oft Umweltzerstörung einhergeht, z. B. wenn im Tiefland von asiatischen Lateinamerikanischen oder afrikanischen Ländern die Ausbeuter-Plantagen mit Pestiziden etc. angelegt sind und die sog. "Kleinbauern" in vorherige Urwälder (z.B. im Hochland) emigrieren, dort dann auch Wald roden, oder um der Armut zu entfliehen, z. B. in Afrika, z. T. auch zu Wilderern werden, und den reichen dann Felle, Elfenbein etc verkaufen u.s.w.) - soviel zu den Wechselwirkungen, aber dasselbe ist es eben überhaupt nicht, denn auch auf Bio-Plantagen werden die Leute evtl. ausgebeutet und nicht-bio-Herstellung kann umgekehrt mit "fairen" Arbeitsbedingungen u. "fair" organisiertem Handel verbunden sein, so dehnbar auch dieser Begriff "fair" ist - wie jeder andere.

     

    2. Biedermeier ... Was hat denn bitte Bio oder Fair mit Biedermeier zu tun? - eben außer, dass vielleicht einige Reklamestrategen das miteinander amalgamieren wollen? - und vielleicht unter den auf Fair oder auf Bio oder auf beides Wert legenden etliche teilweise "altmodische" Leute sind? (in der Bioszene insbesondere gibt es leider eine sehr finanzkräftige und zahlreiche "esotierische" z.B. anthroposophische Fraktion, die ich hier auch unter den Begriff "altmodisch" fasse).

     

    Von der taz erwarte ich eigtl. mehr Kompetenz in diesen Fragen, und d.h. auch mehr Unterscheidungsvermögen.

  • M
    Mirko

    Ist es eine eherne Regel der taz, dass sie zwar in der Lage ist, über 100te von Zeilen eine klebrige Replik auf zugegebenermaßen teilweise "bioheme" daherkommende Schichten und ihre Gewohnheiten zu schreiben, aber nicht in der Lage ist, einen klitzekleinen Link zu dem geschmähten Geschäft zu setzen??? Schade.

  • PB
    Pater Braun

    "Die bloße Überschrift "Bio" zu wenig::"

     

    Ein vollständiger Satz würde sich gar nicht schlecht machen, Herr Feddersen.