Kommentar Islamforscher: Sicherheit geht vor
Kritische Muslime wie Muhammed Sven Kalisch müssen sich auf den Schutz des Staates verlassen können. Genauso wichtig ist Unterstützung durch die Zivilgesellschaft.
D er Islamprofessor Muhammad Sven Kalisch zweifelt die historische Existenz Mohammeds an. Der Koordinierungsrats der Muslime hat ihn dafür heftig kritisiert, die Uni Münster hat ihn von der Ausbildung islamischer Religionslehrer abgezogen. Jetzt muss er mit seinem Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen umziehen. Konkrete Drohungen gibt es zwar nicht. Dennoch scheint die Sicherheitsmaßnahme vernünftig zu sein sein.
Denn Kalisch wird, das legen Berichte im Internet und auch in manchen türkischen Zeitungen nahe, von einigen Fundamentalisten nicht mehr als Muslim betrachtet. In konservativer Scharia-Auslegung steht auf dem Glaubensabfall aber die Todesstrafe: Ein Islamist könnte dies als Aufforderung verstehen, die Sache in die eigene Hand zu nehmen. Das muss nicht passieren - und wahrscheinlich wird es das auch nicht. Doch dass Europäer vor gezielten Attentaten gewaltbereiter Islamisten nicht sicher sind, hat bereits die Ermordung des niederländischen Filmemachers Theo van Gogh vor vier Jahren gezeigt.
Deshalb ist es wichtig, dass sich kritische Muslime wie Kalisch auf den Schutz des Staates verlassen können. Mindestens genauso wichtig ist die Unterstützung durch die Zivilgesellschaft. Daraus abzuleiten, dass Kalisch auch das Recht haben muss, islamische Religionslehrer auszubilden, geht aber wohl zu weit. Aus Sicht der muslimischen Verbände ist es schließlich verständlich, dass sie keine Lehrer wollen, die einen zentralen Bestandteil ihres Glaubens in Zweifel ziehen - und das auch noch im "bekennenden" Religionsunterricht. Und dass Kalisch der Lehrstuhl entzogen wird, haben sie nie gefordert.
Dass Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsminister und die Universität dem Votum der Verbände so schnell gefolgt sind, ist schon kritischer zu sehen. Dass sie keine Religionslehrer ausbilden wollen, deren Unterricht keine Kinder besuchen, weil deren Eltern die kritische Perspektive nicht gefällt, ist zwar verständlich. Doch haben sie damit den Eindruck erweckt, sie seien vor den konservativen Muslimen eingeknickt.
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