Schon wieder Wahlkampf in Hessen: CDU warnt vor dem Mann ohne Namen
Hessens Union sieht vor den Neuwahlen wie die sichere Gewinnerin aus, mag das aber nicht laut sagen. Koch strebt Koalition mit der FDP an - schließt aber auch Schwarz-Grün nicht aus.
WIESBADEN taz Thorsten Schäfer-Gümbel aus Gießen, das rote Greenhorn, gegen Roland Koch, den erfahrenen, aus vielen Schlachten schon siegreich hervorgegangenen schwarzen "Eisprinzen" (FAZ) aus Eschborn. An einen Überraschungssieg des 39 Jahre alten Landtagsabgeordneten glauben in Hessen nur ein paar Genossen vom ganz linken Flügel ihrer Partei, die auch nach dem Desaster vom 4. November auf "Sieg statt Opposition" (Andrea Ypsilanti) setzen. Für den Generalsekretär der hessischen Union, Michael Boddenberg, geriert sich die SPD in Hessen deswegen als "religiöse Sekte".
Fakt ist, dass dem eigentlich chancenlosen Sozialdemokraten nur gut zwei Monate Zeit bleiben, das von ihm selbst in Aussicht gestellte "neue Zukunftsteam" zusammen- und sich dann selbst überall in Hessen zur Schau zu stellen. Noch kennt ihn so gut wie kein Wahlbürger. Und ohne eine mobilisierend wirkende neue Strategie für den Kampf gegen Koch wird es auch nicht gehen. Doch die ist nicht in Sicht. SPD-Generalsekretär Norbert Schmitt jedenfalls griff am Montag wieder in die Mottenkiste mit den Requisiten zur Spendenaffäre bei der hessischen CDU aus der Zeit des Jahrtausendwechsels.
Hat Roland Koch die anstehende Neuwahl also schon gewonnen? Die Umfragen suggerieren dies. Für CDU und FDP zusammen weist die erste Blitzumfrage schon gleich nach dem politischen GAU beim sozialdemokratischen Konkurrenten 52 Prozent der Wählerstimmen aus. Koch selbst aber warnt vor voreiligem Siegestaumel, auch wenn er mit Blick auf den Wahlausgang "zuversichtlich" ist. "Das Schlimmste, was Politikern passieren kann, ist, wenn behauptet wird, Wahlen seien schon gelaufen", sagte er am Montag "Spiegel-Online". Einen Vorteil aber hätten die Neuwahlen Mitte Januar 2009 für die CDU: "Die Wähler haben erlebt, wie ihr Votum vor zehn Monaten von der SPD missbraucht worden ist; sie können jetzt ihre Schlüsse daraus ziehen." Die Union biete eine "berechenbare und stabile Politik auf der Basis einer Koalition mit der FDP an", sagte Koch weiter. Auch eine schwarz-grüne Koalition schließt er nicht aus. Ein leichter Weg sei das aber nicht. Gerade in der Verkehrspolitik gebe es noch große Differenzen zwischen CDU und Grünen.
Inhaltlich will Koch mit der ihm zugeschriebenen Kompetenz in der Wirtschafts- und Finanzpolitik punkten. "Wir kommen in eine schwierige Situation in Deutschland", sagte Koch am Montag in Berlin. Arbeitsplätze müssten geschaffen und überfällige Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt werden. Dass er im letzten Wahlkampf "Fehler gemacht" und überzogen habe - etwa beim Schwerpunkt Ausländer- und Jugendkriminalität -, hatte Koch schon vor Tagen eingeräumt. Dieses Mal werde aber alles anders.
Aber der Ton ist schon wieder rau. Die Union schoss sich am Montag bereits auf Schäfer-Gümbel ein. Der von Kochs Staatssekretär und Adlatus Dirk Metz formulierte neue Slogan besagt, dass dort, "wo Schäfer-Gümbel draufsteht, nur Ypsilanti drin ist". Die SPD wolle jetzt zudem ganz offen mit der Linken paktieren. Schäfer-Gümbel habe schließlich "nichts ausgeschlossen". Kochs Vize und Innenminister Volker Bouffier, der gegen den Newcomer bei der SPD um das Direktmandat im Wahlkreis Gießen kämpfen wird, nannte seinen roten Kontrahenten einen "typischen Vertreter des staatlichen Interventionismus vom linken Rand der SPD". Auch Bouffier glaubt nicht, dass die Wahl für die CDU in Hessen schon gelaufen ist: "Es wäre töricht, jemanden zu unterschätzen, der kein Image hat - also auch kein schlechtes."
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein