Kommentar Lohngefälle: Der Preis für den Fassadenfeminismus

Eine Statistik belegt: Frauen verdienen immer noch deutlich weniger als Männer. Es würde helfen, typische Frauenberufe - zum Beispiel im Sozialwesen - in Tarifverträgen gerechter zu bewerten.

Gerade fühlten wir uns mit Kanzlerin und Elterngeld so schön modern, da verderben Zahlen und Fakten das nette Bild: Das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen ist gleichgeblieben, 23 Prozent weniger verdienen Frauen im Durchschnitt. Im Gender-Ranking des Weltwirtschaftsforums ist Deutschland sogar aus den Top Ten herausgerutscht, von Platz fünf auf elf. Wir rangieren jetzt hinter Lettland und vor Sri Lanka. Dabei war die gefühlte Gleichberechtigung in den vergangenen Jahren doch geradezu beängstigend vorangeschritten: Männer lernten Windeln wickeln, Frauen wurden Kanzlerin.

Es war aber eben viel Fassadenfeminismus im Spiel. Die Kanzlerin firmiert zwar als mächtigste Frau der Welt, aber ihre Regierung macht keine Geschlechterpolitik. Und die Lohnlücke lässt sich eben auch nicht mit ein paar Kitaplätzen und zwei Vätermonaten schließen. Nach der subtil austarierten - und finanzierten - Elternzeit arbeiten weiterhin Scharen von Müttern als Teilzeitkraft im Dienstleistungssektor. Jenseits von Kitas wirken noch ganz andere Faktoren: Frauen arbeiten in schlecht bezahlten Branchen, meiden zeitaufwändige Führungsjobs wegen der Kinder - und werden diskriminiert, weil Personalverantwortliche dazu tendieren, Männern mehr zuzutrauen als Frauen.

Da reicht keine Kita - dagegen müsste man auf allen Ebenen angehen. Zum Beispiel wäre hilfreich, typische Frauenberufe, etwa im Sozialwesen, in Tarifverträgen gerechter zu bewerten. Der Staat als öffentlicher Arbeitgeber könnte da vorangehen. Doch in seinen Tarifverträgen werden bis heute diskriminierende Maßstäbe verwendet, wie Gutachten belegen. Dabei gibt es eigentlich keinen sachlichen Grund, Techniker besser zu bezahlen als Erzieherinnen. Das Innenministerium hatte Anfang des Jahrhunderts angekündigt, die Sache zu überprüfen. Was es nicht tat. Im Gegenteil: ErzieherInnen etwa werden mit dem neuen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes noch schlechter bezahlt als zuvor. Ein besseres Bewertungssystem, versprachen die Arbeitgeber dann, sollte dieses Jahr verhandelt werden. Wurde es aber nicht. Statt dessen wird Frau von der Leyen wohl bald wieder eine neue Kita eröffnen.

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Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.

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