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Nach Festnahme von Ex-Liberation-ChefSarkozy als Kämpfer für Pressefreiheit

Frankreich ist EU-weit spitze bei Ermittlungsverfahren und Festnahmen von Journalisten. Der Präsident will das nun ändern. Aber keiner glaubts.

Sagt er verstehe die Erregung - und schwächt doch die Öffentlich-Rechtlichen: Präsident Sarkozy. Bild: dpa

Wenn es um die Pressefreiheit in weit entfernten Ländern geht - von China über Birma bis hin nach Russland -, sprechen französische SpitzenpolitikerInnen mit Beben in der Stimme von Menschenrechten. Aber als in Paris Vittorio de Filippis, ehemaliger Chef der linksliberalen Zeitung Libération, im Morgengrauen bei sich zu Hause in Paris festgenommen, am ganzen Körper abgetastet und vor den Augen seiner Kinder in Handschellen abgeführt wird, weil ein Richter ihn vernehmen möchte, finden das sowohl die Justizministerin Rachida Dati als auch die Innenministerin Michèle Alliot-Marie völlig in Ordnung.

Erst als selbst konservative Medien beginnen, die lange Liste von Gängeleien und Schikanen gegen JournalistInnen in Frankreich zu veröffentlichten, versucht der oberste Franzose ein Einlenken. "Ich verstehe die Erregung", sagt Präsident Nicolas Sarkozy nun. Und kündigt an, dass er eine "Kommission" beauftragt hat, über eine "Modernisierung der Strafrechtsprozeduren" nachzudenken.

Kaum hat Sarkozy gesprochen, dreht sich der Wind: Jetzt sind plötzlich auch der Regierungschef sowie zahlreiche weitere führende UMP-PolitikerInnen über die Methoden von Polizei und Justiz "schockiert". Auch die beiden vom Staatspräsidenten zurechtgestutzten Ministerinnen geben klein bei.

Am Ursprung der Affäre um den ehemaligen Libération-Chef de Filippis steht eine Verleumdungsklage, wie sie im Zeitungsgeschäft häufig vorkommt. Der Chef eines Internet-Unternehmens hat Anzeige wegen eines Leserbriefs erstattet, der schon im Jahr 2006 auf der Libération-Homepage erschienen war. Was folgte, war die brachiale Festname de Filippis am vergangenen Freitagmorgen um 6.40 Uhr. Polizei und Justiz begründen sie damit, dass de Filippis einer früheren Vorladung zum Verhör nicht nachgekommen sei.

Inzwischen ist der Journalist wieder auf freiem Fuß, und selbst wenn die Verleumdungsklage zu einer Verurteilung führen sollte, droht ihm keine Gefängnisstrafe. Doch die Unverhältnismäßigkeit der gegen ihn eingesetzten Mittel ist nur ein Zeichen für die häufig gewordenen Schikanen gegen und die steigenden Risiken für JournalistInnen in Frankreich.

Die Grande Nation hält den europäischen Rekord bei der Zahl von Ermittlungsverfahren und Polizeigewahrsam gegen JournalistInnen. Unter anderem fiel der Journalist Denis Robert der Wut der Justiz zum Opfer: Nach seinen Recherchen über den Clearstream-Finanzskandal wurde der junge Reporter mit Verleumdungsklagen überhäuft. Angesichts des drohenden Ruins stellte er vor einigen Monaten die Arbeit an dem Thema ein. Aber nicht nur politische JournalistInnen werden Opfer des harten Zugriffs der französischen Justiz. Zuletzt verbrachte ein Autojournalist 48 Stunden in Polizeigewahrsam. Das Unternehmen Renault hatte ihn wegen einer nicht autorisierten Veröffentlichung über ein neuen Fahrzeugmodell angezeigt.

Nicht nur die Affäre um de Filippis zeigt, wie stark die Regierung versucht, Einfluss auf die künftige Medienordnung Frankreichs zu nehmen: Bei der Presse soll der Weg für weitere Titel-Übernahmen durch große Medienkonzerne geebnet werden. Das Parlament berät derweil über eine "Reform" des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, bei dem Sarkozy die Nominierung von künftigen FernsehchefInnen unter Regierungshoheit stellen will. Zudem sollen die Sender auf ihre bisherigen Werbeeinnahmen verzichten - was ihren finanziellen Spielraum empfindlich einschränkt.

Im jüngsten Pressefreiheits-Index von "Reporter ohne Grenzen" ist Frankreich schon tief gefallen. 2008 rangiert die "Heimat der Menschenrechte" auf Platz 35 - weit abgeschlagen hinter Mali und Namibia.

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