Wirtschaftskrise in Fernost: Japan fehlen die neuen Rezepte
Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt hat zwar keine Finanz-, aber eine Wirtschaftskrise - und keine Lösung parat. Das könnte der Opposition wieder eine Chance geben.
PEKING taz Will jetzt auch Japan einen neuen New Deal? Das glaubt die führende Tokioter Tageszeitung Asahi von der Regierung. Am Mittwoch kündigte sie ein Konjunkturprogramm an, über das in den nächsten drei Jahren mehr als 107 Milliarden US-Dollar in die Wirtschaft fließen sollen. Noch am gleichen Tag ließ die Regierung die Meldung dementieren. Wirtschaftsminister Kaoru Yosano schloss größere staatliche Stützprogramme für die Wirtschaft trotz Rezession prinzipiell aus. Der Vorfall zeigt: Japans Eliten sind über Nutzen und Größe eines Konjunkturprogramms ähnlich zerstritten wie die Akteure in Deutschland.
Dabei war die zweitgrößte Volkswirtschaft einst berühmt für ihre erfolgreichen Konjunkturprogramme. Sie halfen dem Land in den 70er-Jahren aus der Ölkrise und legten den Grundstein für die bis heute modernste Autoindustrie der Welt. Doch nach dem Crash Anfang der 90er verpufften die Staatsmittel in der gesättigten Bauwirtschaft. Daher rührt heute die Skepsis. "Wenn mich jemand fragen würde: Was willst du dir kaufen?, müsste ich eine Woche nachdenken. Ich habe ein Auto, zwei Kühlschränke, drei Fernseher - alles", argumentiert Minister Yosano.
Laut Daiwa Life Research Institute leben in 27 Prozent aller japanischen Haushalte nur noch Pensionäre. Ältere Menschen aber geben weniger Geld aus. So sei es kein Wunder, dass der Anteil des Privatverbrauchs am Bruttosozialprodukt (BSP) von über 60 auf zuletzt 57 Prozent zurückgegangen sei. "Japan muss sich auf die Überseemärkte konzentrieren", sagt Martin Schulz vom Fujitsu Research Institute in Tokio. In den letzten Jahren stieg der Exportanteil am BSP von 11,4 Prozent im Jahr 2002 auf 17,6 Prozent 2007. Doch inzwischen gehen die Exporte in die USA, nach Europa und auch nach China stark zurück - und Japan fehlt es an einer neuen Idee.
Dabei hatte man in Tokio eigentlich gehofft, die Krise unbeschadeter als andere zu überstehen. Tatsächlich steht die Finanzindustrie heute besser da als in jedem anderen großen Industrieland. Sie ließ sich auf die windigen Spekulationsgeschäfte der US-Banken nie ein, weil sie den eigenen Crash der 90er-Jahre gerade erst verdaut hatte. Und nun steigt bei sinkenden Zinsen in den USA und Europa der Yen-Kurs gegenüber Dollar und Euro. Das gibt der japanischen Finanzindustrie neue Kaufkraft: Ihre Direktinvestitionen im Ausland sind auf Rekordhöhe gestiegen.
Doch was nützt Japans neue Finanzmacht weltweit der Wirtschaft daheim? "Die Rezession ist sehr ernst", sagt Jesper Koll, Präsident von Tantallon Research Japan. Auch in Japan bricht die Autoindustrie ein. Schon erwartet Wirtschaftsminister Yosano zum Ende des Geschäftsjahres im März Massenentlassungen der großen Firmen, wo Millionen Beschäftigte nur Jahresverträge haben.
Die politischen Folgen lassen sich kaum abschätzen. Bei den Parlamentswahlen, die bis September 2009 stattfinden müssen, darf sich die Opposition erstmals seit 15 Jahren wieder Siegeschancen ausrechnen. Vor allem, wenn die Konjunkturpolitik der Regierung so widersprüchlich bleibt.
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