piwik no script img

Freilandeier aus dem StallVogelgrippe ist Schuld

Tierschützer haben Recht: Manchmal kommen Freiland-Eier aus dem Stall. Doch die Eier-Kennzeichnung war möglicherweise zulässig. Ermöglichst wird das Schlupfloch durch die Vogelgrippe.

Machen Freigänge alle paar Wochen ihre Eier schon zu Freilandprodukten? Bild: dpa

Es sind schwere Vorwürfe, die die Tierschutzorganisation Peta in der vergangenen Woche erhoben hatte: Eier aus Käfig- und Bodenhaltung seien von der Erzeugergesellschaft Landkost-Ei im brandenburgischen Spreenhagen massenhaft als Freiland-Ware deklariert worden. Bei der Staatsanwaltschaft Potsdam erstattete Peta Anzeige. Untermauert wurden die Vorwürfe mit Aufnahmen von dicht gedrängten Hühnern, die aus dem Sommer stammen sollen.

Der betroffene Betrieb weist den Vorwurf der Falsch-Etikettierung zurück - bestreit aber nicht, dass die Hühner überwiegend im Stall gehalten werden. Das sei in der Region wegen der Vogelgrippegefahr seit einem Jahr vorgeschrieben. Wie Landkost-Anwalt Walter Scheuerl der taz sagte, hätten die Tiere "zwischendurch für drei, vier, fünf Tage" Zugang zur Außenfläche gehabt. Die Abstände zwischen diesen Freigängen seien stets kleiner als zwölf Wochen gewesen. Durch diesen Trick kann das Unternehmen die Eier weiterhin als Freiland-Eier verkaufen. Denn nach den Regeln gelten Hühner, die wegen Vogelgrippegefahr eingesperrt werden, für eine Übergangszeit von zwölf Wochen weiterhin als Freiland-Hennen.

Die Rewe-Gruppe ist von dieser Argumentation offenbar nicht überzeugt. Während die Bio-Eier eines anderen beschuldigten Produzenten wieder ins Sortiment aufgenommen wurden, weil die Vorwürfe ausgeräumt seien, kaufe der Einzelhandelskonzern weiterhin keine Eier von Landkost, sagte Sprecher Andreas Krämer der taz. "Da sind noch zu viele Fragen offen."

Tatsächlich ist fraglich, ob die Voraussetzung für den Landkost-Trick - die kurzen Freigänge - überhaupt rechtmäßig waren. Während Landkost-Anwalt Scheuerl behauptet, diese seien "mit Duldung der Amtstierärzte" erfolgt, verweist der zuständige Veterinäramtsleiter Thomas Maczek darauf, dass für Spreenhagen im Mai 2006 die Stallpflicht angeordnet wurde. "Das ist seitdem nie widerrufen oder aufgehoben worden. Das gilt bis heute." Es wäre zwar möglich gewesen in bestimmten Zeiträumen Ausnahmen zu beantragen - auch zwischen März und Oktober diese Jahres wäre eine solche Gelegenheit gewesen. Aber Landkost habe offiziell nichts beantragt. Und wenn die Behörde eine Ausnahme erlaubt hätte, dann bis auf Widerruf und nicht bloß für einige Tage.

Bei den sieben oder acht Kontrollen, die Maczek seit März in Spreenhagen durchgeführt hat, sei ihm kein Verstoß aufgefallen - die Tiere saßen vorschriftsmäßig im Stall. Und was passiert, wenn die Tiere trotz Freilaufverbot draußen sind? "Wenn das nicht amtlich zur Kenntnis kommt, ist das irrelevant." Auch Landkost ist sich offenbar bewusst, dass ihr Vorgehen nicht korrekt ist: "Da muss es nur einen missgünstigen Bauern geben", und das Unternehmen habe Ärger am Hals, sagt Anwalt Scheuerl.

Von den zuständigen Behörden selbst droht aber offenbar keine Gefahr. Während das Veterinäramt nur darauf achtet, dass die Tiere eingesperrt sind, überprüft das brandenburgische Landesamt für Verbraucherschutz, ob sie regelmäßig Freigang haben. Das wird in Stalljournalen dokumentiert, die von den Betrieben geführt und bei Kontrollen überprüft werden, sagt Petra Schiwietz vom Landesamt. Zwar gibt es nach ihrer Aussage einen "direkten Draht" zum Veterinäramt - doch der Widerspruch, dass die Tiere einerseits eingesperrt sein sollten, andererseits aber regelmäßig nach draußen mussten, fiel offenbar niemandem auf.

Zumindest der Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen (KAT), der für die Zertifizierung der Eier zuständig ist, scheint es als Problem erkannt zu haben, dass Eier als Freiland-Ware deklariert werden, obwohl die Hennen die meiste Zeit im Stall stehen. Bislang sei dies wegen der zwölfwöchigen Übergangsfrist gesetzlich gedeckt. "Aber das werden wir nicht mehr akzeptieren", sagt Sprecher Caspar von der Crone. "Für mich ist das keine Freilandhaltung." KAT wolle die Kriterien ändern, um in Zukunft solche Fälle auszuschließen.

Die private Kontrollorganisation, die von Unternehmen der Eierwirtschaft gegründet wurde, habe Landkost zuletzt Anfang des Jahres kontrolliert. Auch damals waren die Tiere im Stall.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • G
    Gundili

    MH- Veganer? Bringen tuts nix, wenn wenige keine Eier mehr kaufen. Die werden trotzdem im großen Maße produziert.

    Man sollte den Verbrauchern lieber mal verständlich machen, wie Hühner tatsächlich leben. Das sie nachts zusammengekuschelt auf ihren Stangen sitzen und, wenn jemand von Peta nachts mit voll Licht einbricht, die armen Tiere verschreckt sind, eine völlig normale Reaktion ist. Sollte man bei den Petaleuten mal nachts einbrechen und die ausm Tiefschlaf reißen. Dann sehen die auch apathisch aus.

  • S
    S.L.

    Was bei der ganzen Diskussion ob Bio-, Freiland oder Käfigei vergessen wird, ist doch dei Tatsache, das ein angeblicher "Skandal" inszeniert wird, bei dem sich im Nachhinein herausstellt, dass die Argumente nicht stimmen. "Panikmache" ist wohl das Ziel solcher Aktionen. Aber das hilft weder den (verunsicherten) Verbrauchern, noch den Hühner.

  • O
    Optabilis

    @ M. H.

    Das ist ein sehr guter Ansatz. Wenn mehr Menschen so denken würden, dann würde es diese ganzen Skandale nicht mehr geben. Man stelle sich einmal vor, nur halb Deutschland würde auf Fleisch verzichten...

    Und selbst das braucht man nicht, denn es gibt einige wirklich gute Biobauern in Deutschland. Fleisch sollte wieder etwas besonderes werden, um sich den wahren Wert der Herkunft endlich wieder bewußt zu sein. Tierische Produkte sind zur Ware verkommen und viele Menschen suchen nach dem niedrigsten Preis. Mit anderen Worten: die Hauptschuld an dem ganzen Dilemma tragen nicht nur die Hersteller, sondern hauptsächlich die Käufer, weil sie mit ihrem Geld den Skandal erst ermöglichen. Es ist immer die Nachfrage die ein Angebot schafft!

     

    Achtet man einmal darauf in welchen Produkten Eier vorhanden sind, dann wird einem schnell klar, dass es nicht mehr viele Fertigprodukte gibt, die sich mit gutem Gewissen kaufen lassen. Übrigens: Alle Fertigprodukte, in denen Eier vorhanden sind, holen sich diese ausschließlich aus den billigen Legebatterien!

  • MH
    M. H.

    ...also ich mach seit jahren schon folgendes, um dieses problem elegant zu umgehen...gar keine eier mehr kaufen und bei abgepackten lebensmitteln drauf achten, das keine enthalten sind...ist total easy...mach ich allerdings auch bei milch und fleisch und fisch...genauso elegant und easy