piwik no script img

Konjunkturpaket der Großen KoalitionRegierung baggert Wirtschaft an

Bagger sollen rollen, Neuwagen ohne Kfz-Steuer fahren: Das von der Regierung beschlossene Konjunkturpaket kostet den Steuerzahler 23 Milliarden Euro. Kann das klappen?

Wer sich bis Ende Juni 2009 ein neues Auto kauft, wird von der Kfz-Steuer entlastet.

BERLIN taz Das Parlament hat am Donnerstag das Konjunkturprogramm der Bundesregierung beschlossen. Die Koalition erhofft sich von dem Gesetz in den nächsten zwei Jahren bis zu 50 Milliarden Euro Investitionen durch Firmen und Privatleute. Das Paket heißt "Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung", es kostet Bund, Länder und Gemeinden bis 2012 rund 23 Milliarden Euro. Knapp 11 Milliarden übernimmt der Bund. Die Länder sehen sich außerstande, ihren Anteil zu schultern - sie wollen den Vermittlungsausschuss anrufen. Die Ideen im Einzelnen:

Kfz-Steuer: Wer sich bis Ende Juni 2009 ein neues Auto kauft und es zulässt, wird von der Kfz-Steuer entlastet. Die Steuer entfällt ein Jahr für Neuwagen, besonders schadstoffarme Autos mit Euro-5- und Euro-6-Norm fahren sogar zwei Jahre steuerfrei. Das sagt die Regierung: Die Idee soll den Absatz der schwächelnden Autoindustrie befördern. Außerdem hätten Käufer so Klarheit, bis sich die Kfz-Steuer wie geplant am CO2-Ausstoß orientiert, heißt es im Gesetzentwurf. Das sagen Kritiker: Umweltverbände kritisieren die Maßnahme scharf. "Durch die Steuerbefreiung unabhängig vom CO2-Ausstoß werden die Autobauer aus der Pflicht genommen, endlich umweltschonende und zukunftsfähige Autos zu produzieren", sagt Gerd Lottsiepen, Verkehrsexperte des ökologisch orientierten Verkehrsclubs Deutschland.

Handwerk: Privathaushalte dürfen doppelt so hohe Ausgaben für Handwerker von der Steuer absetzen. Ließen sich bisher Rechnungen in Höhe von 600 Euro geltend machen, sind es künftig 1.200 Euro. Die Verdopplung gilt erstmals für 2009. Das sagt die Regierung: Die Maßnahme werde die Auftragslage des Handwerks stärken und stabilisieren, begründet der Gesetzentwurf die Idee.

Abschreibungen: Firmen bekommen bei Neuanschaffungen Steuererleichterungen. So führt die Regierung zum 1. Januar die degressive Abschreibung für Wirtschaftsgüter von bis zu 25 Prozent ein. Außerdem erweitert sie Sonderabschreibungen für kleine Firmen. Das sagt die Regierung: Die Erleichterungen sollen die Investitionstätigkeit von Firmen schnell wieder beleben, führt der Gesetzentwurf aus. Durch die degressive Abschreibung könnten sich Firmen zudem schneller refinanzieren. Das sei besonders in der Krise wichtig, "weil andere Finanzierungsquellen schwieriger zu erschließen sind".

Neben den jetzt beschlossenen Maßnahmen setzen Union und SPD auf weitere, die in anderen Gesetzen geregelt sind. Die wichtigsten Ideen:

Verkehr: In den Jahren 2009 und 2010 fließen jeweils eine Milliarde Euro mehr in Verkehrsprojekte. Mit dem Geld werden Bahnstrecken gebaut, Bahnhöfe saniert, Lärmschutzwände aufgestellt und Häfen, Kanäle und Flüsse ausgebaut. Geplant sind zum Beispiel 44 neue Straßenbauprojekte, sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am Donnerstag. Das sagt die Regierung: "Wir machen Druck, dass die Bagger schneller rollen können", verspricht Tiefensee. Profitieren soll die Bauwirtschaft, die sich über mehr öffentliche Aufträge freuen kann. Das sagen Kritiker: Der Naturschutzbund Nabu fürchtet, dass das Geld mit der Gießkanne verteilt wird. "In neue Autobahnen oder Prestigeprojekte zu investieren, wäre grundfalsch und ökologisch fatal", sagt Verkehrsexperte Dietmar Oeliger. Hingegen sei es durchaus sinnvoll, "mehr Geld für verrottende Gleise oder Lärmschutzwände auszugeben."

Günstige Kredite: Die staatliche Kfw-Bankengruppe soll die Wirtschaft mit günstigen Krediten versorgen, bis Ende 2009 wird eine zusätzliche Finanzierung von bis zu 15 Milliarden Euro geschaffen. Außerdem stockt die Kfw ihre Infrastrukturprogramme für klamme Kommunen auf - um 3 Milliarden Euro.

Kurzarbeitergeld: Mit Kurzarbeit kann ein Unternehmen, dem Aufträge fehlen, die Produktion ohne Entlassungen drosseln. Die Beschäftigten arbeiten weniger Stunden. Wenn die örtliche Arbeitsagentur einen entsprechenden Antrag der Firma genehmigt, zahlt sie ihnen das sogenannte Kurzarbeitergeld. Es wird künftig nicht mehr nur für 12, sondern für 18 Monate gezahlt. Außerdem hat die Regierung die Zahl der Arbeitsvermittler aufgestockt. Das sagt die Regierung: Sie will durch ihr Paket eine Million Arbeitsplätze sichern. Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) verspricht, man werde alles tun, um dem "rauen Wetter" weiterhin zu trotzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • S
    Studiosus

    Soso, Kfz-Steuer erlassen, die sich mit Hubraum und PS-Zahl massiv erhöht. So konnte man verfolgen, das der VW - Polokäufer etwa 90 € im Jahr, der Audi Q7-Käufer etwa 900 € im Jahr spart. Wohlgemerkt, der Audi kostet dann 130 t€, da fallen 900 € massiv ins Gewicht und außerdem wollen wir ja genau diese Auto gefördert haben.

     

    Und die KfW soll mehr Geld für die Wirtschaft zur Verfügung stellen? Schön, nachdem sie gerade die Zinsen für Studienkredite massiv erhöht hat. Prima, günstiges Geld für Firmen, das ist kapitalistisch, daß ist das Spiel der freien Kräfte auf dem Markt. Ich bin eigentlich Kapitalist, aber wenn es wirklich so aussieht, daß er nur für Boomphasen gilt, in der Krise aber der Staat ausbügeln darf, dann frage ich mich was das soll...

  • D
    Domas

    Eine Schande ist die Heuchelei unserer Regierung und Politik. Erst erklären sie lean government, outsourcing und Reformen ala Manchester-Kapitalismus als den Schlüssel für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit. Dann lassen sie den Bürger diese neue Gerechtigkeit auslöffeln und nun verzocken sie die letzten Milliarden diesen Staates, um der notleidenden Autoindustrie und den armen Banken unter die Arme zu greifen. Verdammt, wer die Lügen dieses Staates noch nicht verstanden hat, der muss schlafen oder sich heimlich ins Fäustchen lachen.

  • V
    vic

    Mit diesem hilflosen und falschen Sedativum für die Wähler werden die deutschen Autobauer an genau jene Klippe geleitet, an der sich die US-Konzerne schon drängeln. Dann soll´s sicher wieder Geldhilfe geben. Ich fahre einen schadstoffarmen Kleinwagen. Leider werde ich nicht mit milden Gaben bedacht. Zudem Straßenbau unter Zeitdruck. Jetzt wird also gebaut was niemand braucht. Diese Regierung macht wirklich gar nichts richtig.

  • T
    tdk

    Die Bahnanlagen gleich mit dem Konjunkturpaket zu sanieren, steigert die Attraktivität für Anleger der zukünftigen Bahnaktie. Wieso sollen wir eigentlich die Schienen sanieren, während Anleger die Rendite abschöpfen?