Aktionsprogramm gegen Homophobie: Schwulsein ins Schulbuch
Berlin muss mehr gegen Homophobie tun, finden die Grünen - und legen ein Aktionsprogramm vor. Es zielt auf Prävention und gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Viele der Vorschläge sind schon umgesetzt, so die Linkspartei
Eher "gefühlt" sei der Eindruck, dass die wachsende Zahl von Gewalttaten gegen Homosexuelle und Transgender vor allem auf das Konto junger männlicher Migranten ginge, sagt Thomas Birk, schwulenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. "Statistisch belegen lässt sich das nicht."
Deshalb spielt die Frage nach der Herkunft der Täter eine eher untergeordnete Rolle im "Aktionsplan gegen Homophobie", den die Grünen am Montag der Öffentlichkeit vorstellten. Das Zehn-Punkte-Programm soll bereits an diesem Donnerstag im Plenum des Abgeordnetenhauses diskutiert werden und dann "am besten noch in diesem Jahr durchgepowert werden", hofft Anja Kofbinger, Sprecherin der Grünen für Lesben- und Schwulenpolitik.
Auch wenn die bessere statistische Erfassung von Übergriffen einer der Punkte des Aktionsplanes ist: Den Schwerpunkt legen die Grünen auf Prävention. Bestehende Projekte sollen besser ausgestattet und gebündelt, vor allem aber soll die Aufklärung an Schulen massiv verstärkt werden. Sie fordern nicht nur, dass das Vorhandensein unterschiedlicher sexueller Identitäten Unterrichtsthema sein muss, sondern auch Diversity-Beauftragte an Schulen.
Zielgruppenspezifische Aufklärungsarbeit, wie sie von vielen Lesben-und Schwulenorganisationen mit Blick auf die in bestimmten Migrantengruppen besonders verbreiteten homophoben Einstellungen gefordert werden, lehnen die Grünen nicht ab. Aber, so Birk: "Natürlich ist es ein Unterschied, ob man mit von rechten Einflüssen geschädigten Jugendlichen aus Hellersdorf oder mit migrantischen Jugendlichen aus Neukölln arbeitet. Aber die Homophobie ist doch dieselbe." Verbreitet sei sie ethnisch übergreifend bei Männern mit konservativen Rollenbildern. Man wolle deshalb keine einzelne Gruppe besonders stigmatisieren.
Nicht nur deshalb sehen die Grünen auch die Zivilgesellschaft in der Pflicht, gegen homophobe Einstellungen vorzugehen. Ein wichtiger Punkt des Aktionsplans: neue Leitbilder für den öffentlichen Dienst, der den Kampf gegen Homophobie in seine Maßnahmen für mehr Vielfalt in der Verwaltung aufnehmen soll. "Der Diversity-Ansatz muss auch auf die sexuelle Identität ausgedehnt werden", sagte Kofbinger. Die Grünen würden deshalb bis Ende März ein Diversity-Konzept für die Berliner Verwaltung vorlegen, das dann nicht nur auf Homophobie, sondern "auf alle Diskriminierungsansätze eingehen wird", so Kofbinger.
Wie es den Vorschlägen der Grünen am Donnerstag im Abgeordnetenhaus ergehen wird, ist fraglich. Klaus Lederer, der für die Linkspartei dazu Stellung nehmen wird, belächelt sie eher: Das sei ein "Aktionismusplan, kein Aktionsplan", so der Linke. "Die Hälfte dessen, was die Grünen da fordern, passiert schon." Die andere Hälfte sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, etwa der Dialog mit den Glaubensgemeinschaften. "Da können die Grünen sich gerne engagieren", so Lederer - auch ohne einen Beschluss des Abgeordnetenhauses.
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