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Portrait SPD-Politiker Steffen ReicheDer Sozi, der in die Luft ging

Steffen Reiche soll einer Flugbegleiterin aus Ärger ein Bein gestellt haben. Weil ihm in der Business-Class er Zugang zur Toilette verweigert wurde. Ob der Vorwurf stimmt, muss ein Gericht klären.

Steffen Reiche auf dem Flur des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten. Bild: dpa

Steffen Reiche reist gern. Das war im Herbst 1989 so, als der Mitbegründer der Ost-SPD auf Westbesuch außer bei seiner Oma auch gleich mal bei Willy Brandt in Bonn vorbeischaute. Und das war im Januar 2007 nicht anders, als der SPD-Bundestagsabgeordnete von Brüssel nach Berlin flog. Kehrte Reiche zu Wendezeiten als gesegneter Shootingstar der linken Sozialdemokratie zurück nach Potsdam, so erwartete ihn im Januar 2007 am Berliner Flughafen die Bundespolizei. Was war passiert?

Reiche soll im Flieger einer Stewardess ein Bein gestellt haben. Die wiederum - nicht feige - informierte die Polizei am Zielort. Gegen den Strafbefehl über 3.000 Euro hatte Reiche Einspruch eingelegt und damit den Prozess erzwungen. Seit Montag steht der 48-Jährige nun in Berlin vor Gericht.

Der Abgeordnete soll sich geärgert haben, dass ihm von seinem Platz in der Economy-Klasse der Zugang zur Toilette in der Business-Class verweigert wurde. Außerdem soll es Streit gegeben haben, weil es keine deutschsprachige Zeitung gab. Reiche bestreitet das. "Es gab da keinen Disput", versicherte er der Richterin. Hätte er die Stewardess aus Versehen mit den Beinen berührt, "hätte ich mich sofort entschuldigt". Die Zeugin wird erst zum nächsten Termin im Januar erwartet.

Im Grunde ist es kaum denkbar, dass ein Politiker sich wie ein Pennäler verhält. Bei Steffen Reiche aber, sagen manche, die ihn kennen, läge derlei im Bereich des Vorstellbaren. Das politische Talent nämlich habe einen Hang zur Arroganz, aber auch zum Abenteuer, was wiederum mit der wechselhaften Karriere des gebürtigen Potsdamers zusammenhänge.

Am 7. Oktober 1989 hatte Pfarrer Reiche mit anderen Bürgerbewegten die Ost-SPD gegründet, es war ein mutiger Akt in sehr unruhigen Zeiten. Nach der Vereinigung mit der West-SPD blieb er bis 2000 Sozi-Chef von Brandenburg. Sein Nachfolger damals hieß Matthias Platzeck.

Auch im Landtag legte Reiche eine steile Karriere hin. Unter Ministerpräsident Stolpe war er bis 1999 Kulturminister, dann bis 2004 Bildungsminister. Auf diesem heißen Stuhl schlug er sich achtbar. Er, der Theologe, führte in Brandenburg das Fach "Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde" ein, außerdem das Zentralabitur. Als der neue Ministerpräsident und alte Weggefährte Platzeck 2004 das Kabinett umbildete, war für den Nebenkönig Steffen Reiche kein Platz mehr. Seinen Posten bekam ein parteiloser Schuldirektor.

Und Reiche? Wurde 2005 in den Bundestag und den SPD-Bundesvorstand gewählt. Von Absturz kann also nicht die Rede sein. Von Kränkung aber wohl. Jedenfalls für einen, der unbedingt in der Business Class aufs Klo will.

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