Kommentar Folter im Knast: Terror unter Staatsaufsicht

Noch während sich die Justizministerin von NRW vor dem Landtag wegen des Siegburger Folterskandal verantworten musste, wurde in Gelsenkirchen ebenfalls gefoltert.

An Heiligabend übte sich Nordrhein-Westfalens Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter in salbungsvollen Worten. Gerade junge Gefangene bräuchten "ein Signal, dass sie von der Gesellschaft nicht abgeschrieben sind", sagte die Ministerin im Jugendgefängnis Siegburg. Das ist der Knast, in dem der erst 20-jährige Hermann H. im November 2006 von drei Mithäftlingen mindestens elf Stunden lang gequält, erniedrigt, sexuell missbraucht und am Ende gezwungen wurde, sich selbst zu erhängen.

"Junge Menschen", sagte die Christdemokratin dennoch, müssten "in ein sinnvolles, erfülltes Leben geführt" werden.

Mit der Realität hat Müller-Piepenkötters Weihnachtsansprache nichts zu tun. In den Gefängnissen, die ihrer Kontrolle unterstehen, herrscht offenbar der blanke Terror. Noch während sich die Juristin vor einem Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags wegen des Todes von Hermann H. verantworten musste, wurde in Gelsenkirchen ein 23-jähriger Gefangener in Obhut des Staates ähnlich gequält wie in Siegburg. Die Anklageschrift der Essener Staatsanwaltschaft berichtet von versuchter Vergewaltigung, sexuellem Missbrauch, der Aufforderung zum Suizid.

Schlimmer noch: Siegburg und Gelsenkirchen sind keine Einzelfälle. Als Reaktion auf den erneuten Folterskandal berichtet das NRW-Justizministerium von 53 "besonderen Vorkommnissen" 2007 und von bislang 39 Delikten in diesem Jahr. Müller-Piepenkötter räumt also selbst ein, dass sie auch nach dem Foltermord von Siegburg nicht in der Lage ist, Gewalt an Gefangenen zu verhindern - und attestiert sich damit selbst Unfähigkeit.

NRWs Ministerpräsident Rüttgers hätte seine Justizministerin also schon längst entlassen müssen. Unglücklich ist der CDU-Bundesvize auch über den Umgang Müller-Piepenkötters mit der Strafversetzung von Deutschlands bekanntester Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen - statt Ex-Postchef Klaus Zumwinkel wegen Steuerhinterziehung anzuklagen, muss sie künftig als Amtsrichterin über Kleinkriminelle urteilen. Doch Rüttgers hält Rücktritte für ein Eingeständnis der Schwäche und hielt bisher an all seinen Kabinettskollegen fest. Koste es, was es wolle.

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