Stooges-Gitarrist Asheton tot: Songs wie Geröllklumpen
Zwischen Druffsein und Stumpfsinn: Ron Asheton, der Gitarrist der bahnbrechenden Kaputtnikband The Stooges, ist gestorben.
"Hallo Madonna, das sind Ron und Scott Asheton. Dürfen sie auch mit auf die Party kommen?" Iggy Pop musste seine Sängerkollegin aus Anlass eines Konzerts zur Aufnahme in die Rock n Roll Hall of Fame in Cleveland letzten Sommer nicht lange bitten. Einer wird künftig nicht mehr mitfeiern können, Ron Asheton, der Gitarrist der Stooges, wurde am Dienstag tot auf seinem Sofa in seinem Haus in Ann Arbor, Michigan gefunden. Vermutlich ist der 60-Jährige einem Herzinfarkt erlegen.
Von Anfang an war Iggy Pop im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ohne seine Mitmusiker hätte Iggys prähistorische Skigymnastik am Mikrofonständer allerdings ziemlich bescheuert ausgesehen. Ron Asheton stand immer in seinem Schatten, er bereitete Iggy Pop mit der Gitarre aber erst die Bühne. Asheton war auch erklärter Fan des Komikertrios The Three Stooges, Namengeber der Band. Vieles von dem, was die Figur Iggy Pop ausmacht, schreibt der Iggy-Biograf Paul Trynka, geht auf Ron Asheton zurück: Gefühle der Entfremdung, Langeweile und abseitiger Humor. Nazi-Uniformen sammelte Ron Asheton mit großer Akribie. Und sein Verzerrersound klingt, als würde er auf einem radioaktiv verseuchten Kamm Defiliermärsche blasen. Aufgebläht von den Marshallverstärkerboxen schuf der Gitarrist damit das, was Jahre später unter dem Siegel "Punk" firmieren sollte: ein atonales Donnergrollen, böswilliger als die kinetische Energie des Rock n Roll und zur Schau gestellt mit einer linkischen Lecko-Mio-Haltung, die nicht aufgesetzt war. "Die Stooges klingen so barbarisch, weil ihnen erst ein paar Nächte vor ihrem ersten Studiotermin aufging, dass sie Riffs schreiben können, Strophen und Refrains", formulierte der englische Rockkritiker Nick Kent einmal diese zwischen Druffsein und Stumpfsinn changierende Geisteshaltung.
Man muss sich die Zeitumstände verdeutlichen: 1969, als das Debütalbum der Stooges erschien mit Songs wie "I wanna be your dog" oder "No Fun", war der Mainstream auf Progrock eingestellt. Improvisationsgedudel, dargebracht mit technischer Expertise, beherrschte Medien, Märkte und Meinungen allerorten. Das Steineklopfen der Stooges war seine Antithese. Ihre sparsam instrumentierten Songs waren Geröllklumpen, die auf die falschen Versprechungen von Sommern voller Liebe fielen. Am Ende der Sechziger, als die ersten prominenten Rock-n-Roll-Toten in den Metropolen begraben wurden und sich die Beatles auflösten, tauchten die Stooges als lebende Rocktote aus den Vororten auf. Ron Asheton hatte 1965 die Schule abgebrochen, um in London auf der Carnaby Street vergeblich Ausschau nach John Lennon zu halten. Aus Enttäuschung über seine Helden und befeuert von den billigen Fuzzrock-Surrogaten aus den Supermärkten entwickelte er eine eigene, nihilistische Version von Rock. Ashetons Einfluss ist seit Punkrock stetig gewachsen, noch in jedem Jahrzehnt tauchen seit Ende der Siebziger Bands auf, die sich auf sein mürrisches Zweiton- Gitarrenspiel berufen.
Dabei war Asheton schon 1974 aus seiner eigenen Band gemobbt worden. Das Projekt Stooges endete alsbald im Drogenchaos, Iggys macht dank David Bowie Karriere, während es Ron Asheton wieder zurück in die Heimat zog, wo er aus Geldmangel immer mal wieder bei Muttern unterkam. Er stieg zeitweise bei der Künstlerband Destroy All Monsters mit ein, kümmerte sich ansonsten um die lokale Rockszene. Erst die Reunion der Stooges von 2004 und das Album "The Weirdness" (2007) verhalfen ihm zu bescheidenem Wohlstand. In die Rock'n'Roll Hall of Fame wurden die Stooges bislang übrigens nicht aufgenommen. Dem Vernehmen nach soll sich Asheton darüber amüsiert haben.
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