400-Millionen-Kredit: Merckles Firmenimperium wird gerettet
Nach dem Tod des Unternehmers schafft ein Überbrückungskredit Spielraum für eine langfristige Sanierung. Generikahersteller Ratiopharm wird verkauft.
BERLIN taz Der Patriarch Adolf Merckle ist tot - aber sein wankendes Firmenimperium besteht weiter. Allerdings ohne Ratiopharm, den Hersteller von billigen Nachahmer-Arzneimitteln, den Merckle aus der kleinen Arzneimittelfabrik seines Vaters aufgebaut hatte. Der Verkauf sei bereits ausgemachte Sache, erklärte die Merckle-Vermögensverwaltung VEM am Mittwoch.
Die Firmengruppe insgesamt wird durch einen Überbrückungskredit in Höhe von 400 Millionen Euro vor der Insolvenz bewahrt. "Die Sache ist eingetütet", sagte ein beteiligter Banker der Nachrichtenagentur Reuters. Der Firmenchef habe vor seinem Selbstmord noch die nötigen Unterschriften geleistet, erklärte ein VEM-Sprecher.
Rund 100.000 Mitarbeiter sind im Firmenkonglomerat der Merckle-Familie beschäftigt, zu dem neben Ratiopharm, Europas zweitgrößter Pharmagroßhändler Phoenix mit 22.000, HeidelbergCement mit 68.000 Mitarbeitern und eine Reihe kleinerer Unternehmen wie der Raupenhersteller Kässbohrer, Maschinenbauer VEM Sachsenwerk, die Gießerei Zollern und die Kötitzer Ledertuch- und Wachstuch-Werke, die in Wirklichkeit als Vermögensverwaltung fungieren, gehören. Die Firmen befinden sich zum großen Teil unter dem Dach der VEM Vermögensverwaltung. Merckle hatte VEM - was für Volkseigener Elektro-Maschinenbau steht - erst 1997 übernommen.
Die Probleme begannen mit der Finanzkrise. HeidelbergCement hatte sich mit der Übernahme des US-Konkurrenten Hanson überhoben. Die als Sicherheiten für die nötigen Kredite hinterlegten Aktien verloren drastisch an Wert. Dann verlor Merckle auch noch Hunderte von Millionen Euro, als er auf sinkende VW-Aktien spekulierte. Die nervös gewordenen Banken verlangten zusätzliche Sicherheiten, das Imperium geriet ins Wanken. Im November erreichte Merckle eine Stillhaltevereinbarung mit rund 30 Gläubigerbanken. Bei den Verhandlungen bot er auch Sicherheiten aus seinem privaten Vermögen und drohte schließlich damit, die Holding VEM einfach in Konkurs gehen zu lassen.
Zu Weihnachten war es schließlich so weit: Eine grundsätzliche Einigung mit den Banken stand. Diese forderten im Gegenzug einen beträchtlichen Teil der Firmengruppe als Sicherheit, weswegen diese auf einen Treuhänder übertragen werden sollten. Merckle-Sohn Ludwig müsse sich als Mitgeschäftsführer der VEM zurückziehen, hieß es am Mittwoch.
Die Firmen gewinnen nun Zeit für eine längerfristige Umschuldung - von einem Finanzbedarf zwischen 0,7 und 1 Milliarde Euro ist die Rede. In den kommenden drei Monaten soll zunächst ein Gutachten erstellt werden, wie der Sanierungsplan aussehen soll.
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