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Kommentar GazaDas Kalkül der Hamas

Kommentar von Georg Baltissen

Die humanitäre Katastrophe, die Israel in Gaza verursacht, wird das Bild eines angemessen reagierenden Staates erschüttern. Und die Hamas wird ihr Einbunkern als heroischen Sieg feiern.

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Auslandsredakteur
61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.
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13 Kommentare

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  • K
    Karolus

    Eine Wiederholung der Argumente, die für Israels Einsatz seiner militärischen Macht sprechen, ist nicht nötig. Ich wünsche Israel die Nervenkraft, trotz aller "wohlmeinenden" Worte von außen, von den verdammenden gar nicht zu reden, die Hamas dort zu schlagen, wo man sie trifft. "Schlagt die Faschisten dort, wo ihr sie trefft!", hieß es früher. Man ersetze 'Faschisten' durch 'Hamas' und kennt das Gebot der Stunde.

  • KK
    Kurt Knurtz

    Hallo Herr Baltissen!

    Sie schreiben:

    "Die Zerstörungen in Gaza, die hohe Zahl der getöteten Kinder und Frauen, das ungeheure Leid und Elend der Bevölkerung dürften nicht zu Unrecht Israel angelastet werden. Auch wenn Hamas zivile Opfer als Teil der eigenen Strategie einkalkuliert."

    Na klar, Herr Baltissen, deshalb föhnen wir auch unsere Wohnungen, wenn es regnet, und haben keine Dächer auf den Häusern. Auch wenn wir wissen, dass es das Wasser ist, was nass macht.

    Die Hamas kündigt den Waffenstillstand mit Israel auf, beschießt die Israelis mit Raketen und benutzt die eigene Bevölkerung als menschliche Schutzschilde. Wenn die verzweifelten Israelis sich dann wehren. sind sie schuld an Leid und Elend der Bevölkerung.

    Wissen Sie was! Ich bin dafür, das Leute, die andere in Schaufensterscheiben stoßen, auch mit den Folgen belastet werden. Andernfalls dürfte die Zahl von Zerstörungen rasant zunehmen, weil die tatsächlich Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Und das trifft doch wohl auch auf eine Terrororganisation wie die Hamas zu.

  • RM
    Robert Meier

    Gaza ist nichts neues, sondern ein logischer Schritt Israels in einer alten Tradition.

    "As early as 1921, Dr. Eder, a member of the Zionist Commission, boldly told the Court of Inquiry, 'there can be only one National

    Home in Palestine, and that a Jewish one, and no equality in the partnership between Jews and Arabs, but a Jewish preponderance as soon as the numbers of the race are sufficiently increased.' He then asked that only Jews should be

    allowed to bear arms."

     

    Das Überlebensrecht der nicht-zionistischen Bevölkerung von Palästina (einschließlich der moderaten jüdischen Bewohner, die durch diese

    Politik als Geisel genommen werden) interessiert die Israelis nicht. Tut mir leid, aber die gegenwärtige Israelische Politik ist ein Verbrechen gegen die Menschheit und eine schreiender Mißbrauch der Andenken an die Opfer des deutschen (und europäischen) Faschismus.

    Und die Servilität europäischer Regierungen - aus welchen Gründen auch immer - gegenüber diesen Verbrechern in der israelischen Verantwortung zerstört das Vertrauen in die Legitimität unserer Gesellschaftsordnungen. Nach den Opfern in Gaza (und Israel) ist das die schlimmste Folge dieses menschenverachtenden Zynismus.

  • C
    Corvus

    Wer immer einen schnellen Waffenstillstand fordert, hat die möglichen Ziele des israelischen Angriffs nicht verstanden. Wenn diese Operation irgendetwas bringen soll, muß die israelische Armee die Infrastruktur der Hamas soweit es geht zerstören. So hart und zynisch das klingt: alles andere wäre "Thema verfehlt, setzen, sechs!", und dann hätte man sich in der Tat den gesamten Angriff und die unvermeidlichen zivilen Opfer sparen können.

     

    Wer hierin Zynismus liest, bedenke bitte folgende Parallele: was mag ein amerikanischer oder britischer Soldat gedacht haben, der 1944/45 deutsche Zivilisten hat sterben sehen? Welche Alternativen hätte er sehen und akzeptieren können? Daß die Hakenkreuzfahne weiter in Europa weht? Daß weiterhin in Deutschland und Europa Fanatiker und ihre Mitläufer das Geschehen bestimmen und Andersdenkende einsperren, foltern und ermorden? Daß sie das vielleicht auch weiter in anderen Ländern tun?

     

    Und zum Schluß, wiederum ohne Zynismus: bisher fast 1.000 Tote in Gaza, davon ein Drittel bis die Hälfte aus der Zivilbevölkerung, also 300 bis 500. Nach drei Wochen und bei einer Gesamtbevölkerung von 1,5 Millionen auf engstem Raum, wobei die israelische Armee nicht mit Wattebällchen schießen kann sondern schwere Artillerie und Bomben gegen Tunnel, Bunker etc. einsetzen muß. Jedes Todesopfer ist eins zuviel, aber das spricht wesentlich mehr für eine rechtzeitige und umfangreiche Warnung der palästinensischen Bevölkerung durch die Israelis als für die von der Hamas berichteten "Massaker" oder ein "skrupelloses Vorgehen" der Israelis.

  • F
    Florentine

    Herr Baltissen, wieso erwähnen Sie eigentlich nicht die israelische Besatzungspolitik, die völkerrechtswidrige Siedlungs- und Annektionspolitik? Aus welchem Grunde gehen Sie mit keinem Wort auf die Farce 'besatzungsfreie Zone Gazastreifen' oder palästinensische 'Regierung' ein? Möchten Sie nicht darüber reden, dass Israel die Bevölkerung des Gazastreifens je nach Laune als Faustpfand benützt hat? Mal bekamen die Menschen Essen, dann wieder nicht... Sie können über die Hamas gerne schimpfen, sie kritisieren. Aber schweigen Sie bitte nicht von den Dingen die Israel betreffen.

  • F
    Felidea

    Ich bin wahrhaft erschüttert über einige der Kommentare hier. Es ist unglaublich. Da sitzt jemand in seiner sicheren Wohnung vor dem Computer und tippt: "tut mir ja auch leid wegen der Unschuldigen"

    Was wißt ihr eigentlich vom Krieg? Schon mal einen selbst miterlebt? Schon mal sein eigenes Kind zerfetzt in den Armen gehalten? Schon einmal beide Beine oder die Augen im Splitterhagel verloren? Schon einmal vor Angst in die Hosen geschissen?! Ihr kennt die Angst, den Schock und Verzweiflung doch überhaupt nicht. Ihr urteilt als wäred ihr Götter. Keine Ahnung von dem was in den Köpfen der Opfer und Täter vorgeht, aber ein ganzes Volk verurteilen. Das hatten wir ja schon einmal gehabt. Und wie man sieht gibt es nichts, aber auch gar nichts, was die Menschen daran hindert es wieder und immer wieder zu tun. Ist unser Nachbar böse, bomben wir ihn einfach aus, ungeachtet der toten unbeteiligten Nachbarn drumherum. Hauptsache wir haben Gerechtigkeit ausgeübt. Und was Gerechtigkeit ist, dass bestimmen natürlich wir alleine.

     

    Für die die es noch immer nicht begriffen haben: Terroristmus kann man nicht mit Bomben bekämpfen, denn die Personen die diesen Ausführen befinden sich verstreut auf der gesamten Welt.

    In unser gesamten Menschheitsgeschichte hat enorme Gewalt immer zu enormer Gegengewalt geführt.

    Ich glaube, dass es hierbei lediglich um eine Art Befriedigung von Macht geht. Es ist ja ein so geniales Gefühl einen anderen gegen seinen Willen in die Knie zu zwingen und ihm zu zeigen, wer hier der Herr ist.

    Wenn ihr mit ansehen müßt, wie eure Familien zu Hause in Stücke gerissen werden, würdet ihr da nicht auch den Wunsch nach Rache oder Vergeltung spüren? Das spürt ihr doch sogar schon jetzt, obwohl ihr gar nicht betroffen seid.

  • BM
    Bernd Möller

    Was ist eine angemessene Reaktion auf Terror, der sich in Wohngebieten versteckt und Frauen und Kinder und UN-Einrichtungen als Schutz missbraucht?

    Wer wirklich am Frieden und am erstarken Palästinas interessiert ist, der braucht keine Tunnel zum schmuggeln von Waffen.

    Die Frage ist nur, wann wird die Situation endlich von den so laut nach Frieden oder Waffenstillstand rufenden realistisch eingeschätzt?

    Wann wenden sich die Palästinenser gegen die Hamas?

  • UR
    Uwe R.

    Fußball ist, wenn am Ende Deutschland gewinnt. Naher Osten ist, wenn Israel am Ende als moralischer Verlierer dasteht. Ja, so in der Art kalkulieren wohl die palästinensische Hamas oder die libanesische Hisb'allah.

     

    Es könnte aber auch anders kommen. Etwas bleibt immer am Ruf hängen. Die Hamas hat diesen Krieg gewollt und ihn mit herbeigeführt. Sie hat unbestreitbar Anteil an diesem Geschehen, und keinen geringen.

     

    Sie wird versuchen, die Opfer für sich zu instrumentalisieren. Die Frage ist aber, ob sie darin glaubwürdig sein kann.

     

    Die Frage, die sich die Menschen im Gazastreifen stellen werden, wird sein, ob es das wert war und was es gebracht hat.

     

    Als was wird Hamas und dieser Krieg im Gedächtnis bleiben? Als Ergebnis einer Haltung, die mehr an Kampf und Tod interessiert ist als daran, zu leben und ein Zusammenleben zu gestalten?

     

    Als Ausdruck einer Politik, die immer noch lieber vorzieht, Israel zu zerstören statt Palästina zu gründen? Gut möglich!

  • P
    Polly

    Wieso sollte die israelische Regierung mit einer Gruppe verhandeln, die das Existenzrecht Israel nicht anerkennt? Und worüber? Über das Ende der eigenen staatlichen Existenz? Solange Terrororganisationen Israel nicht anerkennen kann es diplomatische Kontakte wenn überhaupt nur vermittelt über Dritte geben.

     

    Welchen "humanitären" Argumenten sind die Hamas-Anführer zugänglich, die aus der Deckung von Wohngebäuden, Schulen und UN-Einrichtungen Raketen abfeuern oder auf die israelische Armee schießen lassen? Damit "verheizen" sie ihre eigenen "Kämpfer" und provozieren bewusst zivile Opfer! Währenddessen wird in den Bunkern der "Endsieg" herbei halluziniert.

     

    Die Hamas ist im Übrigen die Gruppe, die seit ihrer Machtübernahme in Gaza den Raketenterror aus diesem Landstrich gegen Südisrael vorantreibt - während sich Israel 2005 komplett aus dem Streifen zurückgezogen und sämtlich Siedlungen aufgegeben hat.

  • M
    michaelbolz

    Damit klingt es, als wäre die Situation nach einem Waffenstillstand prinzipiell ähnlich der vor dem "Verteidigungskrieg" Israels - wobei die Leiden der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen wiederum für eine neue Radikalisierungswelle herhalten dürften.

    Durch Waffengewalt wird der Konflikt also zu keinem Ende kommen. Auch wenn es Spekulation ist: Am Ende hätte man doch von Anfang an mit der Hamas reden müssen.

  • J
    Joman

    Die Strategie des israelischen Militärs besteht doch gerade darin, eben nicht angemessen zu reagieren. Die Reaktion muss unverhältnismäßig sein, gerade daraus entsteht doch militärische Abschreckungskraft...vielleicht nicht unbedingt für die Fanatiker der Hamas, vielleicht aber doch für Teile der paläst. Bevölkerung. Es stimmt zwar, dass der Effekt auch gegenteilig sein mag. Aber wenn ich an Deutschland denke, so hat doch die Geschichte gezeigt: zunächst haben die Bomben auf deutsche Städte die Bevölkerung zusammengeschweit, aber als es dann doch vorbei war, hat jeder gesagt: "Bloß kein Krieg mehr, das ist Schiete." Ich glaube, dass diese Erfahrung uns Deutsche eher auf den richtigen Weg gebracht hat, als die Einsicht, einem Verbrecher-Regime gedient zu haben. So Leid es mir aufrichtig tut für die paläst. Zivilisten, so sehr kann ich das israelische Kalkül deshalb nachvollziehen. Ob es dann hinterher zum Ziel führt (dauerhafter Waffenstillstand), wird man jedoch erst sehen müssen.

  • VM
    Volker Müller

    Natürlich entspricht Israels Verhalten "westlichen Werten". Die Angriffe auf Jugoslawien, Irak, Afghanistan, ist das etwas anderes? Vom Hinterhof der USA, Südamerika ganz zu schweigen.

    Und natürlich werden Billionen für die Rettung der Banken ausgegeben, während wenige Dollar für Impfungen und sauberes Wasser in der dritten Welt nicht aufzutreiben sind.

    Recht auf Leben, das gilt immer nur für Menschen, die im "Westen" leben.

    Der Konflikt zwischen Israel und Palästina ist ein nationaler und religiöser Konflikt, gleichzeitig aber auch ein Konflikt zwischen erster und dritter Welt, reich und arm.

    Israels militärische Aktion mag inhuman sein, anders als der Westen ist es damit nicht.

  • JS
    Joachim Schimmler

    Der Krieg im Gazastreifen schlägt schon längst Wellen in ganz Europa und auch in Deutschland. Wer vorigen Samstag die Demonstration der islamistischen Milli Görüs-Organisation in Duisubrg erlebt oder sich bei Youtube die Bilder angeschaut hat, weiß längst, dass sich selbst Juden in Deutschland nicht mehr sicher sein können. Im Internet habe ich dazu einen sehr interessanten und zugleich schockierenden Erlebnisbericht einer jungen Jüdin aus Duisburg gefunden. Via Google werdet ihr ihn schon finden (Stichworte "Duisburg" und "Jüdin"). Der Essay bringt es auf den Punkt: Wie sicher können mehr als 60 Jahre nach dem Holocaust deutsche Juden in Deutschland leben, wenn der Staatsschutz wie in Duisburg die islamistischen Demonstranten vor dem Anblick der israelischen Flagge bewahren will (O-Ton-Rechtfertigung der Duisburger Polizei)? Die Demonstranten haben nicht nur "Kindermörder Israel" gerufen, sondern auch "Nieder mit den Juden" und "Kampf den Juden". Wer das alles miterlebt hat, dem muss klar werden, dass der Gaza-Streit Deutschland erreicht hat und wir alle dafür sorgen müssen, dass die deutschen Juden nicht erneut von extremistischen bedroht oder gefährdet werden. Nun sind es zwar keine Alt- und Neo-Nazis mehr, sondern Islamisten.

    Wie gesagt: Lest diesen Essay einer Betroffenen. Danach werden auch die stärkten Kritiker Israels anders denken.