Guantánamo spaltet Kabinette: Die Sicherheitsbedenken überwiegen
Steinmeier will Häftlinge aufnehmen, Schäuble nicht. Frankreichs Außenminister Kouchner will, Frankreichs Innenministerin Alliot-Marie nicht.
BRÜSSEL taz Nicht nur in der deutschen großen Koalition streiten sich Innen- und Außenminister darüber, ob unschuldige Guantánamo-Häftlinge aufgenommen werden sollen. Auch in Frankreich steht der Wunsch von Außenminister Bernard Kouchner, die transatlantischen Beziehungen zu verbessern, gegen die Sicherheitsbedenken von Innenministerin Michèle Alliot-Marie.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat mehrfach vorgeschlagen, freigelassene Gefangene aus dem US-Lager nach Deutschland zu holen. Dies hat Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) jetzt deutlich zurückgewiesen. "Die Verantwortung für diejenigen, die jahrelang in Guantánamo festgehalten wurden, liegt bei den Vereinigten Staaten von Amerika", sagte Schäuble beim Treffen der EU-Innenminister in Prag.
Wie Schäuble betonte in Prag auch die französische Innenministerin Alliot-Marie, dass keine Staatsbürger ihres Landes mehr in dem Lager auf Kuba einsäßen. Das heißt im Umkehrschluss: Für Staatenlose oder für Gefangene, die nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können, fühlt sich die EU nicht zuständig.
Der französische Außenminister Bernard Kouchner dagegen sprach sich für die Aufnahme von Gefangenen aus. Allerdings müsse jeder Antrag einzeln geprüft, das Sicherheitsrisiko und die rechtlichen Folgen abgewogen werden. Das Kalkül der Außenpolitiker: Wenn sie dem künftigen US-Präsidenten Barack Obama helfen, sein Wahlversprechen einzulösen und eines seiner drängendsten Probleme aus der Welt zu schaffen, können sie sich im Gegenzug eine Hinwendung der USA zu Europa erhoffen.
Deshalb wollen die Außenminister am 26. Januar in Brüssel über Guantánamo reden. Sie werden wohl einstimmig erklären, dass die EU zur Lösung des Problems beitragen sollte. Praktische Konsequenzen hat das nicht, denn die Einreisegenehmigung muss das jeweilige Innenministerium erteilen. Und selbst wenn sich die Innenminister einig sind, wie im Fall der verfolgten Christen im Irak, folgen die Taten den Worten nur langsam. Bereits im Februar 2007 einigten sich die europäischen Innenminister darauf, 10.000 irakische Flüchtlinge aufzunehmen. Deutschland wollte ein Viertel davon übernehmen. Doch die Betten im Auffanglager Friedland sind bis heute leer geblieben.
Unterdessen unterstützen die Grünen die Position Steinmeiers. Der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, bezeichnete Guantánamo als "Achillesferse der Menschenrechtspolitik des Westens". Deutschland müsse einen Beitrag zur Schließung leisten, so Beck. "Dies wäre jetzt das richtige Signal an den künftigen amerikanischen Präsidenten."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Fans angegriffen
Gewalt in Amsterdam
+++ Nach dem Ende der Ampel +++
Habeck hat Bock
Auflösung der Ampel-Regierung
Drängel-Merz
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball
Schönheitsideale in der Modewelt
Zurück zu Size Zero