Kritik von der EU-Kommission: Gasstreit sorgt für raues Politklima
Vor einem Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem russischen Ministerpräsident Wladimir Putin übt die Bundesregierung heftige Kritik an den Kontrahenten.
KIEW/BERLIN dpa/afp/taz Der Gasstreit mit Russland könnte den Kiewer Angestellten des ukrainischen Energieversorgers Naftogaz schon bald mächtig stinken. Der Oberbürgermeister Leonid Tschernowezki drohte dem Unternehmen am Freitag an, die Kanalisation in der Konzernzentrale stillzulegen, sollte die Gasversorgung wie angekündigt in der Hauptstadt abgestellt werden. Zuvor hatte Naftogaz erklärt, dass die Gasversorgung Kiews bereits am Freitag gestoppt werden könnte, weil die Stadtverwaltung beim Konzern "stark verschuldet" sei.
Auch wenn die Lage in Westeuropa noch nicht zu prekären Drohungen dieser Art geführt hat - der Ton wurde nochmal deutlich schärfer. Die EU-Kommission forderte Russland und die Ukraine aufgefordert, ihren Gasstreit spätestens bis Ende der Woche beizulegen. Die Treffen in den kommenden Tagen seien für beide Länder "die letzte und beste Möglichkeit", ihre Verlässlichkeit als Handelspartner zu demonstrieren, sagte ein Kommissionssprecher am Freitag in Brüssel.
Russland hatte vor mehr als einer Woche seine Gaslieferungen nach Europa über ukrainische Leitungen gestoppt. Grund ist ein Streit über unbezahlte Rechnungen und den künftigen Gaspreis für die Ukraine. Unter Vermittlung der EU einigten sich die Länder schließlich auf die Stationierung von Beobachtern an Verteilstationen. Der russische Energiekonzern Gazprom nahm die Lieferung am Dienstag zunächst wieder auf, stoppte sie aber rasch wieder. Gazprom beschuldigte die Ukraine, die Leitungen zu blockieren.
Die Ukraine wiederum erklärte, Gazprom habe eine technisch ungeeignete Pipeline ausgesucht. Wie auch immer: Der Füllstand der deutschen Gasspeicher droht ohne eine Wiederaufnahme der russischen Lieferungen bereits kommende Woche unter 50 Prozent zu sinken. Wie die Zeitung Financial Times Deutschland berichtete, geht das aus Zahlen der Gasspeicher-Organisation Gas Storage Europe (GSE) in Brüssel hervor. Demnach waren die 46 Gasspeicher in Deutschland am Montag nur zu 59 Prozent gefüllt. In der Vorwoche waren es noch 69 Prozent gewesen.
Vor diesem Hintergrund empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitagnachmittag Russlands Regierungschef Wladimir Putin. Merkel wollte bei dem Treffen kurzfristig erreichen, dass die Lieferungen "im vollen Umfang und unverzüglich" wieder aufgenommen würden, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg vor dem Treffen. Langfristig müssten alle Streitpunkte gelöst werden, damit sich die Probleme nicht wiederholten. Der Ansehensverlust durch den Streit sei für beide Seiten "gravierend". Sowohl Russland als auch die Ukraine seien ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen. Dies sei im "21. Jahrhundert völlig inakzeptabel".
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