die wahrheit: Träumt Steinmeier von Westerwelle?
Irgendwann kehrt alles zurück. Derzeit sind es die Achtzigerjahre. Die Nostalgiewelle hat gerade den "Zauberwürfel" wieder hochgespült, dem Zeit und Stern angeblich ...
Irgendwann kehrt alles zurück. Derzeit sind es die Achtzigerjahre. Die Nostalgiewelle hat gerade den "Zauberwürfel" wieder hochgespült, dem Zeit und Stern angeblich die "letzten Geheimnisse" entlocken. Dann steht es tatsächlich schlecht um unsere gegenwärtige Geistesverfassung, wenn Hamburger Journalisten in der Krise ausgerechnet das alte Stumpfspielzeug als Modetrend ausgraben. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass in den Achtzigerjahren nur Volltrottel den ganzen Tag versuchten - rickrack, rickrack -, die bunte Unordnung des Rubikwürfels auf Linie zu bringen. Jetzt fehlt nur noch ein Remake von "Dallas" und "Denver-Clan". Und die Simulacrum-Theorie.
Ja, ich gestehe es mit verschämt zu Boden geneigtem Kopfe, auch ich war ein Anhänger der in den Achtzigerjahren weit verbreiten Simulacrum-Theorie. Sie stammt ursprünglich aus der Science-Fiction-Welt und besagt, dass die Mächtigen längst keine Menschen mehr seien, sondern nur noch Simulationen. Irgendwo in amerikanischen Labors würden bereits Androiden hergestellt, gegen die dann jeder Politiker ausgetauscht werde, der an die Macht gelangt. Unterfüttert wurde diese Trugbildtheorie vom großen Simulationsphilosophen Baudrillard, dessen Kernsatz lautete: "Das Simulacrum ist wahr."
Dass das noch nicht wieder gekommen ist. Gerade jetzt. Sind nicht der alte und der neue US-Präsident Prototypen für ein Simulacrum? Hat nicht Bush wie eine Maschine immer das Gleiche abgesondert? Und ist Obama nicht eine entkernte Hülle, die mit immer neuen Bausätzen von Ideen wieder aufgefüllt wird?
Was für ein Mumpitz die Simulacrum-Theorie tatsächlich ist, entdeckt man im Laufe seines Lebens, wenn man wirklich auf Mächtige stößt. Kürzlich war ich bei einer Veranstaltung, bei der plötzlich Frank-Walter Steinmeier auftauchte. Der Außenminister und Kanzlerkandidat saß nur ein paar Tische entfernt und war den ganzen Abend über so aufgekratzt, als ob er nicht gerade mit der Hessenwahl die erste von sechzehn Niederlagen des Jahres erlebt hätte. Wenn etwas simuliert an ihm war, dann nur eines: Steinmeier ähnelt mehr und mehr Gerhard Schröder. In Gestus und Tonfall wirkt er wie eine Kopie des Exkanzlers. Und ich kann das beurteilen, ich habe auch schon an Schröders Nachbartisch gesessen.
Allerdings fehlt Steinmeier das Volkstümliche und Bierselige seines Vorbilds. Er mag ein guter Amtsleiter sein, aber Bundeskanzler wird Steinmeier nie. Nicht einmal Außenminister wird er bleiben. Das wird der Albtraum Westerwelle übernehmen, bei dem man gewiss sein kann: Westerwelle lebt nicht mehr, er funktioniert nur noch in Erwartung seines künftigen Amts als Vizekanzler und Außenminister.
Früher besuchte Westerwelle den "Big Brother"-Container oder ließ sich die Prozentzahl "18" auf die Schuhsohlen kleben. Jetzt ist er zur Abwechslung seriös geworden. Nach der Hessenwahl antwortete er auf die Frage eines Fernsehjournalisten, ob er sich schon auf sein künftiges Amt einstelle: "Es geht hier nicht um mich!" In seinen Augen spiegelte sich eine Lüge, die so perfekt nur ein Polit-Android spielen kann. Wenn Guido Westerwelle kein Simulacrum ist, dann heiße ich ab sofort J. R. Ewing.
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