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Der zweite Tag als neuer US-PräsidentObamas 24-Stunden-Rundumschläge

Guantánamo-Schließung angeordnet, Irak-Abzug vorbereitet, Anti-Lobby-Dekrete erlassen und erste Schritte im Nahostkonflikt: Obama legt ein beachtliches Arbeitstempo vor.

Darauf wartet die Welt: die Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo. Bild: dpa

Der neue US-Präsident Barack Obama legt weiter ein Blitztempo vor. Der Anweisung an die Militärstrafverfolger, die Guantá-namo-Verfahren für 120 Tage auszusetzen, folgte am Donnerstag die Anweisung zur Schließung des Gefangenenlagers auf Kuba binnen eines Jahres. In einer weiteren Verfügung verbot Obama Foltermethoden bei Verhören von Terrorverdächtigen wie das vom Geheimdienst CIA angewandte "Waterboarding", ein Simulieren von Ertränken.

Künftig soll sich auch die CIA an militärische Regeln halten, die derartige Praktiken ausschließen. Außerdem wurde erwartet, dass der Präsident den Geheimdienst anweist, sein Programm der Geheimgefängnisse und geheimen Transporte von Terrorverdächtigen zu stoppen. Damit räumt Obama wesentliche Hürden auf dem Weg zurück zu rechtsstaatlichem Handeln aus dem Weg.

Beim Versuch, den juristischen Fortgang der vor Militärtribunalen in Guantánamo anhängigen Prozesse vor reguläre US-Gerichte zu bringen, ist es allerdings nicht hilfreich, dass der Justizausschuss des Senats die Bestätigung des designierten Justizministers Eric Holder um eine Woche verschob. Republikanische Politiker hegen Vorbehalte gegen Holder wegen dessen Rolle in der Regierung des früheren Präsidenten Bill Clinton.

Auch außenpolitisch geht Obama unmittelbar zur Sache. Am Mittwochnachmittag traf sich Obama mit seinen Militärkommandeuren und sprach über die Zukunft des Irakeinsatzes. Im Wahlkampf hatte er angekündigt, binnen 16 Monaten nach seiner Amtsübernahme die US-Truppen aus dem Irak abzuziehen. Während Obama offenbar tatsächlich den Abzug bis Mitte 2010 weitgehend vollzogen haben möchte, stellt sich General Raymond Odierno, der US-Oberkommandierende im Irak, einen Abzug eher bis Ende 2011 vor - zu jenem Zeitpunkt also, zu dem sich die USA im Sicherheitsabkommen mit Irak ohnehin zum Abzug verpflichtet haben.

Während der drei Wochen des Gazakriegs hatte sich Obama jeder Äußerung zum Konflikt enthalten. Jetzt aber, da er nicht mehr argumentieren kann, es gebe nur einen US-Präsidenten und das sei eben nicht er, hat er unmittelbar angefangen, in der Sache aktiv zu werden. Zumindest wurde bekannt, dass er am Mittwoch per Telefon mit wichtigen Regierungschefs aus der Region telefonierte, um die Chancen auszuloten, den Waffenstillstand zu verstetigen. Es sei wichtig, dass keine Waffen in den Gazastreifen geschmuggelt werden können, hieß es aus Washington.

Auf welche weitergehende inhaltliche Position sich Obama aber festlegt, ob er also etwa eine Einbeziehung von Hamas in einen Friedensprozess und eine palästinensische Einheitsregierung bevorzugt oder weiterhin auf die Isolation von Hamas setzt, war bislang noch nicht zu erfahren. Politische Analysten vermuten, dass Obama sich mit dieser Positionierung Zeit lassen und sich zunächst in allgemeinen Erklärungen ergehen wird.

Eine weitere Maßnahme von Obamas erstem Arbeitstag könnte sich als die mittelfristig innenpolitisch wichtigste herausstellen: Mit einem Paket von drei Dekreten will er sein Versprechen einlösen, die politische Kultur Washingtons zu verändern und den Einfluss der Lobbygruppen zurückzudrängen. So wird künftig ausscheidenden Regierungsmitarbeitern verboten, in Lobbyfirmen einzusteigen, und neue Regierungsmitarbeiter dürfen nicht in Bereichen arbeiten, in denen sie zuvor Lobbyarbeit betrieben haben. Zusammen mit einem Gehaltsstopp für höhere Regierungsmitarbeiter und verschiedenen neuen Veröffentlichungspflichten untermauert Obama, was er im Weißen Haus am ersten Tag als Linie ausgab: Im öffentlichen Dienst "geht es nicht um den eigenen Vorteil oder den eurer Freunde oder Geschäftspartner. Es geht nicht um eine ideologische Agenda oder die Partikularinteressen irgendeiner Organisation. Im öffentlichen Dienst geht es ausschließlich darum, den Interessen der Amerikaner zu dienen."

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10 Kommentare

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  • W
    Westberliner

    Kommt jetzt nach "Glasnost" "Change"?

    Die Machthaber im östlichen Deutschland haben sich gegen Glasnost mit Händen und Füßen gewehrt. Die Machthaber im westlichen Deutschland werden es bei Change ebenso tun.

  • SL
    stefan lachera

    das tempo obamas darf hier fast nicht verwundern. wenn in der vergangenheit von seinem vorgänger fast nichts mehr wirklich ambitioniert angepackt wurde, dann ist sein vorgehen gleichzusetzen mit einer beschleunigung von 0 auf 100. entscheidender als die tatsache, dass etwas passiert, dürfte wohl sein, was passiert. und da dürfen wir alle hoffen. natürlich schauen wir alle auf die aussenpolitischen aktivitäten und seine wirkungen auf die weltpolitik, viel entscheidender scheint mir jedoch sein innenpolitischer kurs zu sein. das aushebeln von lobbyisten und deren unsäglicher einfluss auf politik (nicht nur in den usa) ist ein richtig verstandener schritt in richtung demokratisierung, zum vorteil des gemeinwesens.

  • AP
    Aschok Patel

    naja...ich weiß, es passt nicht zum intellektuellen Anspruch und Selbstverständnis dieser Leserschaft, aber egal: BAMM!

     

    Das ist doch ein toller Anfang und eine klare Ansage. Hoffentlich packt Obama andere große Brocken ebenso engagiert an!

  • TK
    Tönnies Katz

    Danke taz! Der letzte Absatz: Weg mit der Lobbyarbeit, Dienst am Menschen, macht wirklich Hoffnung, so wie die Chinesen einen sehr regierungskritischen Satz aus der Antrittsrede von Obama weggelassen haben, lassen die eher "Industrie hörigen" Presseorgane (wiwo) den neuen Lobbyansatz von Obama gerne weg. Diese Maßnahme war ein Muß nach der Öl-Kriegsausrüster Konnextion von Bush jun. unsäglich ungerecht...

  • V
    vic

    Guter Start von Onama.

    Dies zu hören würde ich mir auch von Merkel wünschen:

    "Im öffentlichen Dienst "geht es nicht um den eigenen Vorteil oder den eurer Freunde oder Geschäftspartner. Es geht nicht um eine ideologische Agenda oder die Partikularinteressen irgendeiner Organisation. Im öffentlichen Dienst geht es ausschließlich darum, den Interessen der [Amerikaner] Deutschen zu dienen."

  • D
    davidly

    Außen hui: denn vor kurzem war Ernannter Stellvertreter des Verteidigungsministeriums, William J. Lynn III, Lobbyist für Raytheon, eine der Größten der Waffenindustrie.

     

    Aber kein Panik: es gibt ja ein Verzichtklausel im Falle von dringlicher nationalen Sicherheit. Kommt das irgendjemandem bekannt vor?

  • E
    emil

    Ein Preis, den Obama zahlen musste, um das zu erreichen, war z.B. den Nebensatz von der "Leadership" in seiner Antrittsrede nicht auszulassen oder zu ersetzen durch einen Nebensatz über "global Partnership". So weit ist es in den USA erst mit der Demokratie, dass Präsidenten, die kein "Kennedy Schicksal" befürchten wollen, immer noch Zugeständnisse an "nationalistische" Kreise machen müssen,

    in diesem Fall konkret auch stark "anti-europäische", die z.B. nicht zugeben wollen, dass z.B. Norwegen oder Schweden schon lange viel demokratischer sind, als es die USA jemals waren (sogar paradoxerweise trotzdem sie Königreiche sind - was eine interessante, witzige Verrücktheit der Geschichte ist). Wers nicht glaubt nehme als Indiz meinetwegen z.B. den Index des jährlichen Human Development Report der UNO.

  • FG
    Frank-Norbert Gerlach

    Die Krönung der Obama-Vereidigung wäre die anschließende Festnahme Bushs gewesen mit dem Hubschrauberflug nach Guantanamo.Für immer und bitte ohne Gerichtsverhandlung!

  • MM
    Michael Müller

    Einfach unglaublich... wer kennt einen Politiker, der so eine Tatkraft und eine Authentizität an den Tag legt? Der vom ersten Tag an beginnt, seine Wahlversprechen umzusetzen? Ich hoffe nur, er erleidet nicht das Schicksal von Kennedy und King.

  • JK
    Juergen K.

    Anti-Lobby :

     

    Wenn so etwas mal Schule machen würde

     

    Und dann noch so etwas wie Gysis "Primat der Politik"

     

    Pray the Lord