Kommentar: Polizei verspiel ihr größtes Kapital
Polizeibeamte, die Ermittlungen gegen Kollegen behindern, erschüttern das Vertrauen der Bürger, auf das die Polizei dringend angewiesen ist.
Nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen unbewaffneten Straftäter im brandenburgischen Schönfließ wird nun auch gegen zwei weitere Beamte ermittelt. Das Verfahren gegen die bei dem Vorfall am Silvesterabend anwesenden Polizisten sei wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung im Amt eingeleitet worden, teilte die zuständige Staatsanwaltschaft Neuruppin am Freitag mit. Sie bestätigte damit einen Bericht der Berliner Morgenpost. Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch wies darauf hin, dass die Männer erneut als Zeugen vernommen werden sollen.
Zwei Polizeibeamte sind gerade dabei, das wichtigste Kapital ihrer Behörde zu beschädigen: Das Vertrauen der Bürger. Es sind die beiden Berliner Beamten, die mit dabei waren, als einer ihrer Kollegen am Silvesterabend in Brandenburg einen flüchtenden, unbewaffneten Straftäter erschoss. Die Staatsanwaltschaft untersucht, ob es sich dabei um Notwehr handelte - nur dann wären die Schüsse zu rechtfertigen. Zur Aufklärung könnten die beiden Beamten beitragen - aber die wollen nichts gehört und nichts gesehen haben.
Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat jetzt gegen die beiden Beamten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes der versuchten Strafvereitelung im Amt eingeleitet. Das Signal ist eindeutig: Die Justiz schaut nicht weg, nur weil sich die Vorwürfe diesmal gegen Polizisten richten. Doch das ist leider noch die Ausnahme. Bei anderen Fällen, die weniger öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, funktioniert die Mauer des Schweigens noch.
Das hinterlässt den fatalen Eindruck, als seien ausgerechnet die Hüter von Recht und Ordnung weniger an der Aufklärung als vielmehr an der Verschleierung eines Verbrechens interessiert. Und warum sollten sich unter diesen Voraussetzungen die Opfer oder die Zeugen von Straftaten bei der Polizei melden? Die Polizei ist jedoch auf das Vertrauen der Bürger angewiesen - nur so kann sie Gewalttäter dingfest und die Stadt dadurch zu einem besseren Ort machen.
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