Neue Berlin Studie: Migranten sind hopp oder top
Berlin integriert seine Immigranten gleichzeitig sehr gut und sehr schlecht. Überdurchschnittlich viele haben keinen Schulabschluss oder ein Unizeugnis. Das zeigt die jüngste Studie des Berlin-Instituts.
Türken gleich Probleme, Islam gleich Terrorismus - das werde in der öffentlichen Debatte über Integration oft gleichgesetzt, sagt Kenan Kolat seufzend. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschland nimmt am Montag an der Vorstellung einer Untersuchung über den Stand der Integration von Einwanderern in Deutschland teil. Die auch nach Ländern aufgeschlüsselte Studie "Ungenutzte Potenziale" des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung verdeutlicht, dass es so banal nicht ist: Berlin weist eine erstaunliche Kombination von Integrationserfolgen und -misserfolgen auf. 23 Prozent der Bevölkerung sind MigrantInnen, damit liegt Berlin unter deutschen Großstädten eher im Mittelfeld; in Frankfurt/Main sind es 38 Prozent.
In der Hauptstadt hat beinahe jeder fünfte Einwanderer weder einen Schul- noch einen Berufsabschluss. Das sind im Bundesländervergleich überdurchschnittlich viele: In Bayern etwa liegt dieser Anteil niedriger als 10 Prozent. Gleichzeitig haben in Berlin aber fast 40 Prozent der MigrantInnen, die über eine Berufsausbildung verfügen, gleich einen akademischen Abschluss - die höchste Zahl im Ländervergleich. In Bayern verfügt nur ein knappes Viertel der Migranten mit Berufsabschluss über eine akademische Ausbildung.
Und trotz der hohen Zahl von MigrantInnen ohne Schulabschluss (18 Prozent im Vergleich zu 2 Prozent der einheimischen Bevölkerung) besucht doch beinahe ein Drittel der MigrantInnen der entsprechenden Altersgruppe das Gymnasium (31 Prozent, Einheimische: 32 Prozent). Insgesamt haben sogar 43 Prozent der eingewanderten BerlinerInnen Abitur.
Überdurchschnittlich hoch ist auch die Anzahl von EinwanderInnen in sogenannten Vertrauensberufen - dazu zählen die AutorInnen der Studie Ärzte, Staatsbedienstete, Sozialarbeiter und Lehrer, aber auch Unternehmer und Journalisten: Hier führt Berlin mit 11 Prozent die Ländertabelle an. Andere Bundesländer mit hohem Migrantenanteil wie Hamburg oder Nordrhein-Westfalen kommen gerade mal auf 7 Prozent. Trotzdem liegt die Erwerbslosenquote unter Einwanderern mit 31 Prozent beinahe doppelt so hoch wie unter Einheimischen (16 Prozent). Bei Einwanderern aus der Türkei beträgt sie sogar 40 Prozent.
Die Tatsache, dass in Berlin die MigrantInnen türkischer Herkunft die größte Gruppe stellen, könnte ein Grund für die "gespaltenen Ergebnisse" der Hauptstadt sein, vermuten die AutorInnen der Untersuchung. Denn in der Auswertung ihrer Daten kommen sie zu dem Schluss, "dass Menschen türkischer Herkunft relativ gesehen am schlechtesten integriert sind". In den meisten anderen Bundesländern sind Spätaussiedler die größte Zuwanderergruppe. Sie stehen bei der Integration in den Arbeitsmarkt oder das Bildungssystem erheblich besser da als Türkischstämmige.
Dass ihnen allerdings auch erheblich mehr Unterstützung geboten wurde als anderen Migrantengruppen, geht aus der nur auf Mikrozensusdaten beruhenden Untersuchung nicht hervor. Nur manchmal lassen die Daten erkennen, wie sehr Integrationserfolge auch von Bedingungen abhängen, die das Einwanderungsland festlegt. Etwa bei der Berufsausübung: So befinden sich unter Migranten aus dem Nahen Osten oder Afrika zwar viele mit akademischer Bildung, dennoch sind sie schlecht in den Arbeitsmarkt integriert. Grund sind rechtliche Bestimmungen, die Flüchtlingen die Arbeitsaufnahme erschweren.
Dass die Studie Eingliederung nur als Leistung der Einwanderer abbildet, die von Aufnahmebedingungen des Einwanderungslandes scheinbar nicht beeinflusst wird, ist denn auch eines der Hauptargumente von KritikerInnen. "Integration erfordert Einsatz auf beiden Seiten", sagt die integrationspolitische Sprecherin der Grünen, Bilkay Öney. Der schlechte Integrationsgrad türkischstämmiger Einwanderer sei auch "ein Armutszeugnis für die Integrationspolitik der letzten Jahrzehnte".
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