Rechte Parolen: Rassisten im HSV-Stadion
Fremdenfeindlichkeit ist im Umfeld des HSV noch immer ein Thema. Nach rassistischen Übergriffen gegen den schwarzen Ex-Football-Star Campino Milligan und seine Freundin ducken sich die Verantwortlichen lieber weg. Stadionverbote drohen.
Richtige Zeit, falscher Ort. Die HSH-Nordbank-Arena war für den dunkelhäutigen Ex-Football-Star der Hamburg Blue Devils Campino Milligan und seine Freundin Ivonne der richtige Platz, sich das Gastspiel der Münchner Bayern beim Hamburger SV anzuschauen - die Nordtribüne, genauer Block 28 C aber mitnichten. "Massive rassistische Beleidigungen", Drohungen gegen Leib und Leben handelte sich das Paar - beide Bayern-Fans - am vergangenen Freitag ein und war schließlich "froh, da heil rausgekommen zu sein".
Nach einem Bericht der Hamburger Morgenpost wurde das Pärchen mit Nazi-Parolen und SS-Rufen empfangen, er von einem Fan am Hals gepackt, sie als "Nigger-Schlampe" beschimpft. Höhepunkt der bedrohlichen Szene: Ein herbeigerufener Ordner soll die beiden nicht gegen die rassistischen Übergriffe geschützt, sondern mit den Worten "Verpiss dich hier, du Sau, geh zurück in den Busch" die Stimmung noch angefacht haben.
Ein Einzelfall? "Seit Jahren hatten wir hier keine rassistischen Zwischenfälle mehr", betont der HSV-Fanbeauftragte Mike Lorenz und beweist mit dieser Äußerung ein erstaunliches Kurzzeitgedächtnis. Gerade mal zwei Jahre ist es her, dass das Fan-Personal der Haupttribüne bei seinen Unmutsäußerungen über die Leistung des kamerunischen Nationalspielers Timothée Atouba rassistisches Potenzial mit Schmähungen wie "Nigger", "Affe", und "Kanake" mobilisierte und dafür einen Stinkefinger des Verunglimpften kassierte.
Beim Bundesliga-Spiel VFL Bochum gegen Werder Bremen rollten Mitglieder der Nazi-Fangruppierung "Nordsturm Brema" wiederholt ihr Transparent mit den Buchstaben "NSHB" und einen stilisierten Totenkopf aus. Gegen Ende des Spiels gingen Bremer und Bochumer Fans gemeinsam gegen die Rechten vor. Sie riefen "Nazis raus" und wurden vereinzelt handgreiflich, so dass die Polizei einschritt und die Nazis vorübergehend in Gewahrsam nahm - "zu ihrem eigenen Schutz", wie die Polizei sagte. Damit waren sie allerdings namentlich bekannt und wurden von Werder Bremen umgehend mit einem Stadionverbot belegt. "Eine gute Aktion unserer Fans", lobte Sportdirektor Klaus Allofs, "das ist nicht das Gedankengut von Werder Bremen". Das Bremer Fanprojekt organisiert einen Austausch mit israelischen Fans und Veranstaltungen, etwa zum Thema Homophobie im Fußball. Im November zeichnete der DFB Werder Bremen für seine Anti-Diskriminierungskampagne mit dem Julius-Hirsch-Preis aus.
Die Vereinsführung des HSV schweigt noch zu den Vorfällen vom vergangenen Freitag. Allein Vereinssprecher Jörn Wolf kündigte an, dass die dafür Verantwortlichen ein Stadionverbot erhalten würden, sollten sich die Vorwürfe Milligans bestätigen. Seit dem Umzug in die HSH-Nordbank-Arena hatten - auch aufgrund des Engagements der HSV-Supporters - die rassistischen Pöbeleien beim HSV mächtig nachgelassen. Zudem änderte der Verein seine Stadionordnung dahin gehend, dass Zuschauer, die Kleidung der Nazi-Bekleidungsmarken "Thor Steinar" oder "Consdaple" tragen, der Eintritt ins Stadion verwehrt bleibt.
Diskutiert werden die Anfeindungen hingegen in verschiedenen Fan-Foren des HSV: "Einzel- oder Regelfall?", lautet hier die meist gestellte Frage. Obwohl die meisten Club-Anhänger sich eindeutig von den Übergriffen distanzieren, wird mehr als einmal dem Opfer die (Mit-)Schuld an den Übergriffen gegeben: "Mit Bayern-Schal auf die Nord? Bisschen dämlich vielleicht?"
Schwarze Spieler, die sich bei den Nord-Clubs verdingt haben, sind seit Jahren rassistische Schmähungen gewohnt - wenn auch zumeist in den gegnerischen Stadien: Zuletzt traf es vorigen September St. Pauli-Stürmer Morike Sako in Rostock: Der Sohn malischer Eltern wurde mit "Nigger, Nigger!"- Schmährufen und nachgemachten Affen-Geräuschen beleidigt und mit Bierbechern von den Heim-Fans beworfen. Eine klare Distanzierung und Entschuldigung der Vereinsführung blieb bis heute aus.
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