Kommentar zum Einheitsdenkmal: Jede Menge Deutungen

Die vielen eingereichten Entwürfe zeigen, dass sich im Umgang mit der jüngsten Vergangenheit noch Leerstellen auftun.

Die hohe Beteiligung bei dem Wettbewerb zum Einheits- und Freiheitsdenkmal am Schlossplatz kann man schon jetzt getrost als Erfolg für die Erinnerungskultur in dieser Stadt verbuchen. Die rund 1.000 Entwürfe demonstrieren, dass sich im Umgang mit der jüngsten historischen Vergangenheit noch Leerstellen auftun. Zugleich besteht ein enormes Bedürfnis an Aufarbeitung und Erinnerung. Das Freiheits- und Einheitsdenkmal am Schlossplatz scheint das Zeichen dafür zu sein, dass das Ende der DDR und die friedliche Revolution von 1989 endlich mit ins Zentrum der städtischen Gedenkkultur gehören und wir uns der Bedeutung dieser Zeit bewusst werden müssen.

Doch damit nicht genug. Wenn man die Menge der Entwürfe als eine mögliche Menge an Deutungen begreift, dann ist das ein Hinweis darauf, dass es einfache Antworten, gar einen "Schlussstrich", nicht gibt. Die DDR samt ihrem Ende nur als Teil der Abrechnung mit dem Totalitarismus und die Einheit als Folge der BRD-Erfolgsstory zu sehen verschüttet die richtigen Antworten. Es wäre töricht, die spezifischen Mechanismen der Wende und der Freiheitsbestrebungen dieser populistischen Sicht zu überlassen.

Vielmehr gilt es, die genauen Spuren, die Singularität und Widersprüche jener Zeit bloßzulegen. Eine Gedenkkultur zu Freiheit und Einheit muss auch die kritische Hinterfragung und Reflexion jenes Herbstes 1989 und der Rolle seiner Protagonisten dokumentieren, aufdecken und aufklären.

Nebenbei ist auch eine gefährliche Eventisierung jener Jahre zu beobachten - siehe Gedenkjahrzirkus "20 Jahre Mauerfall" . Der "Wahnsinn" wird Methode und zum Gegenteil von Gedenkkultur. Prosit Erinnerung!

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Rolf Lautenschläger hat Kunstgeschichte und Germanistik studiert. Als Autor und seit 1993 als Redakteur der taz kümmert er sich intensiv und leidenschaftlich um die Themen Stadtplanung und Architektur alias Abriss und Aufbau.

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