Tote bei Kämpfen: Sturm auf Somalias Hauptstadt

In Somalia hat die radikalislamische Armee "Hisbul Islam" einen Großangriff auf Mogadischu gestartet. Sie will verhindern, dass der neue Präsident seine Macht festigt.

Verwundeter Mann wird nach Kämpfen in Mogadischu versorgt. Bild: dpa

Die trügerische Ruhe endete am Dienstagmorgen. Da begannen in Somalias Hauptstadt Mogadischu die schwersten Gefechte seit dem offiziellen Abzug der äthiopischen Armee vor einem Monat. Seit radikalislamische Milizen einen Stützpunkt regierungstreuer Truppen im Süden Mogadischus überfallen haben, hallt das Donnern von Granaten und Gewehren durch die Stadt. Schätzungen nach sind über 80 Menschen ums Leben gekommen. Alleine "Ärzte ohne Grenzen" haben seit Beginn der neuen Kämpfe 121 Verletzte behandelt, unter ihnen Kinder, deren Schule von Granaten zerschossen wurde. Shelagh Woods, Somalia-Chefin der Organisation, hat so etwas noch nicht erlebt: "Unser Team hat die ganze Nacht durchgearbeitet, ohne Pause." Die Verletzten haben entweder Schusswunden oder wurden verletzt, als Bomben oder Granaten einschlugen. Fast die Hälfte aller Opfer sind Frauen oder Kinder.

Die Kämpfe beenden Hoffnungen, dass der am 31. Januar in Dschibuti gewählte neue somalische Präsident Sheikh Sharif Ahmed, der selbst aus dem islamistischen Lager kommt, eine schnelle Einigung mit Somalias radikalen Islamisten herbeiführen kann. Zwar sind Äthiopiens Truppen nirgends in Somalia mehr zu sehen - mit dem Abzug ist eine der Hauptforderungen der Shabaab-Milizen erfüllt worden. Zudem ist Sharif, selbst einst Anführer der "Islamischen Gerichtshöfe", für die radikaleren Islamisten ein deutlich schlechteres Feindbild als sein geschasster, von Äthiopien gestützter Vorgänger Abdullahi Yusuf, der inzwischen im Exil im Jemen lebt. Doch der Islamistenführer Sheikh Hassan Dahir Aweys, von den USA als Terrorist gesucht, heizt den Krieg gegen den "Verräter" Sharif und die gut 3.500 Friedenstruppen unter Mandat der Afrikanischen Union (AU) in Mogadischu nur umso mehr an.

"Die neue Regierung ist vom Westen eingesetzt worden, um unsere islamische Bewegung zu schwächen", giftete Aweys auf dem TV-Sender al-Dschasira: "Jeder vernünftige Mensch wird Medizin benutzen, um eine Krankheit zu bekämpfen." Auf Verstärkung kann die völlig überforderte AU-Truppe vorerst nicht hoffen: nachdem am Wochenende elf burundische Soldaten erschossen wurden, sagte Nigeria die versprochene Entsendung eines eigenen AU-Kontingents nach Somalia vorerst ab.

Während der in Mogadischu einflussreiche Hawiye-Clan inzwischen Präsident Sharif unterstützt - Hawiye-Älteste rufen derzeit erfolglos zum Frieden auf -, verteidigt die Shabaab ihre Hochburgen im Südwesten Somalias. Am Mittwoch nahmen ihre Kämpfer Hudur ein, die Hauptstadt der Bakool-Region nahe der Grenze zu Äthiopien. Ideologische Freunde hat Shabaab zudem in Sharifs eigener Regierung. Während der Präsident um neue ausländische Truppen bittet, lehnt der für internationale Kontakte zuständige Minister Abdirahman Abdishukur dies öffentlich ab. "Wir werden eine eigene Armee mit mindestens 10.000 Soldaten gründen", so Abdishukur. Einige der gut 200 Abgeordneten, die Sharif für seine Wahl vor einem Monat gekauft hat, fordern zudem die schnelle Wiedereinführung des islamischen Schariarechts.

Im Kampf gegen Sharif haben Somalias Islamisten sich neu organisiert. Unter dem Dach der "Hisbul Islam" (Islampartei) versammeln sich einige der radikalsten Politiker des seit achtzehn Jahren regierungslosen Landes mit Verbindungen in alle bedeutenden Clans. Der laufende Sturm auf Mogadischu soll das Gesellenstück der Bewegung werden: die meisten Kämpfer, die seit Dienstag für Terror in Mogadischu sorgen, sind Teil der Streitkräfte von "Hisbul Islam". Sollte die politisch fragile Bewegung siegen, könnte sie anstelle von Shabaab zur neuen starken Kraft in Somalia aufsteigen. Ein Frieden wäre dann erst recht in unerreichbare Ferne gerückt.

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