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Atom-Endlager GorlebenSalzwasser fließt

Der Salzstock von Gorleben ist von Wasserblasen und potenziell gefährlichen Mineralschichten durchzogen. Die Anti-Atom-Initiativen fordern die Neubewertung des Endlagerprojekts.

Salzbrocken werden mit einem Spezialfahrzeug auf einer 840 Meter tiefen Strecke im Erkundungsbergwerk in Gorleben von der Wand geschlagen. Bild: dpa

HANNOVER taz Weil salziges Wasser in die Schachtanlage Gorleben fließt, hat die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg eine Neubewertung des Endlagerprojekts verlangt.

Bereits seit Jahrzehnten weist die Bürgerinitiative (BI) auf Mängel des Gorlebener Salzstocks hin. Dazu gehören Salzwassereinschlüsse, potenziell wasserführende Schichten sowie die fehlende Abschirmung des Salzstocks zur Oberfläche. "Diese Risiken müssen von unabhängigen Experten neu bewertet werden", sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke am Montag der taz. "Für das Gorlebener Endlagerprojekt sind zu lange Wissenschaftler zuständig gewesen, die auch das Desaster im Atommülllager Asse verschuldet haben". Es sei zwar bekannt gewesen, dass bei dem vor neun Jahren vorläufig gestoppten Endlagerbau auch Salzwassereinschlüsse angebohrt worden seien. "Die jetzt genannte Menge von 160.000 Litern Lauge hat uns aber überrascht", sagte der Sprecher der Bürgerinitiative.

Nach Angaben des Bundesamtes Strahlenschutz wurden die 160.000 Liter Lauge tatsächlich schon aufgefangen, bevor im Juni 2000 der weitere Ausbau des Endlagerbergwerks Gorleben durch ein Moratorium gestoppt wurde. Analysen der Lauge hätten ergeben, dass es sich um 240 Millionen alte Flüssigkeiten handele. Verbindungen zwischen den angebohrten Laugenblasen zum Grundwasser um den Salzstock gebe es nicht.

Die Bedenken der Gegner des Endlagerprojekts ergeben sich jedoch aus der Art des Gesteins, aus dem die Lauge ausgetreten ist. Die 160.000 Liter Salzwasser stammen aus verschiedenen Formationen des Minerals Anhydrit, das den Gorlebener Salzstock von oben nach unten durchzieht. Anhydrit ist ein Mineral aus Calciumsulfat, das härter und spröder ist als Salz. "Im Salzbergbau ist Anhydrit als potenziell wasserführende Schicht gefürchtet", sagte der hannoversche Geologe Detlef Appel, der sich seit drei Jahrzehnten mit dem Gorlebener Salzstock befasst. "Im Steinsalz verschließen sich Hohlräume wieder, der sprödere Anhydrit zerbricht, und es entstehen Risse und Trennfugen, in denen sich Flüssigkeiten bewegen können", erläuterte Appel. Anhydritschichten können Wasserspeicher und Wasserleiter sein. "Das ist eine Gefahr", warnte Appel. In einem späteren Endlager Gorleben würde sich die Rissbildung verstärken. Schließlich brächten die Hohlräume des Bergwerks und die Hitze des hochradioaktiven Mülls den Salzstock unmerklich in Bewegung.

Wissenschaftliche Befürworter und Gegner des Endlagerprojekts streiten seit Langem darüber, ob die Gorlebener Anhydritschichten Verbindung nach oben zum Grundwasser haben oder nur aus isolierten Schollen bestehen. Bohrungen an dem Endlager, die diese Frage klären würden, sind technisch nicht möglich. JÜRGEN VOGES

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3 Kommentare

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  • A
    archimedes

    Immer deutlicher zeigt sich, dass die Atommüllproduktion schnellstmöglich reduziert werden sollte, und der Ausbau von erneuerbaren Energien wie Geothermie etc. beschleunigt werden sollte. Bis zum 28. März kann übrigens eine Online-Petition an den Bundestag unterstütztwerden, in der gefordert wird, dass es keine weiteren öffentlichen Mittel für die Atomkraft geben soll. https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=2068

     

    Eine weitere Sache, die jede/r relativ leicht tun kann, ist, zu sauberem Ökostrom zu wechseln, vgl. z.B. die Genossenschaft http://www.greenpeace-energy.de , so dass diese auch mehr Mittel haben, um die Energiewende ohne Abhängigkeit von den Kohle- und Atomkraftwerksbetreibern zu beschleunigen. Beispielsweise die Greenpeace Energy e.G. unterstützt zusammen mit Planet Energy Windparks in Österreich und Norddeutschland (Niedersachsen und Brandenburg), sowie ein umweltfreundliches Laufwasserkraftwerk in Bremen und Dach-Solaranlagen in Süddeutschland (z.B. bei Augsburg und Schwäbisch-Hall). Wer hier wegen vielleicht einigen Cent höherer Stromkosten geizt, spart an der falschen Stelle, und bei mehr Mitgliedern/KundInnen können solche AnbieterInnen umso mehr solche Projekte initiieren, was dann den Ausstieg von der Atommüllproduktion beschleunigt.

  • R
    Radiodepressiv

    Jeder Hausfrau ist bekannt das Salz hygroskopisch ist und Feuchtigkeit aus der Umgebung bindet. In keinem anderen Land der Erde wird Atommüll in Salz deponiert.

     

    Das Desaster im Salzbergwerk Asse, welches jahrzehnte als illegales „Endforschungslager“ genutzt wurde, nun akut einsturzgefährdet ist und munter absäuft, darf sich nirgendwo wiederholen.

     

    In Süddeutschland gibt es bestimmt geeignetere Lagerstätten, in stabileren geologischen Formationen, doch dort will man das Zeugs nicht haben und so wird eben Norddeutschland zum Atomklo.

     

    Das sind ja strahlende Aussichten ...

  • KK
    Karl Kraus

    Putzig, dass man versucht, Wahrscheinlichkeiten ein bisschen gegeneinander abzuwägen in einer Situation, in der das Eintreten einer gering wahrscheinlichen Situation sofort zu 100% mörderische Folgen hätte. So wie die äußerst beruhigende Rechnung, dass es statistisch gesehen nur alle etwa 300.000 Jahre zu einem GAU in einem Atomkraftwerk komme. Wenn also zehn mal hintereinander Atomkraftwerke in die Luft fliegen, haben wir immerhin statistisch für 3 Millionen Jahre eine total sichere Energiequelle. Sollte dann noch eins hoch gehen, sind wir sogar für weitere 300.000 Jahre aus dem Schneider. So gesehen ist es um so töfter für unsere Nachfahren, je häufiger etwas passiert. Was Wahrscheinlichkeitsrechnung so alles kann!

    Ach übrigens: Die CCS-Technologie, also die Abscheidung und Lagerung von CO2 aus Kohlekraftwerken, funktioniert genauso schlau. Es ist irre unwahrscheinlich, dass so ein Lager mal explodiert (das CO2 wird hoch verdichtet und dann in den Boden gepumpt). Auch Sprudelflaschen explodieren, sehr selten, aber sie explodieren durch genau denselben Mechanismus. Und wenn dann doch mal etwas schief geht, ist das sofort richtig verheerend: CO2 ist bekanntlich schwerer als Luft und fließt in einem solchen Fall über den Boden kreuz und quer durch die Gegend. Bei der Explosion eines durch natürliche Vorgänge hoch mit CO2 angereicherten Vulkansees sind mal eben so 180 Leute auf der Stelle erstickt. Gelebt (bis zu besagtem Moment) haben im Umkreis etwa 200 Leute. Aber ist ja alles unwahrscheinlich.

    Ach, und noch etwas: Schon jetzt haben Politik und Konzerne ausgekungelt, dass die Haftung für Schäden an einem CCS-Lager und damit auch für einen CO2-GAU nach ein paar Jährchen von den Konzernen auf das Land oder den Bund übergeht. Also gilt: Nur wer erstickt, zahlt nicht.

    Es lebe der Fortschritt.

    Prost.