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Kleine Mülleimer-KundeAb in den Orbit

Je bedrängender das Müllproblem, desto eher fordert das vermeintlich Schlechte zu optimistischer Umdeutung heraus.

Total retro: Mülleimer ohne Schnickschnack. Bild: photocase.de/matschkopp

Dass die Konsumgesellschaft eine Wegwerfgesellschaft sei, wird oft - und durchaus zu Recht - beklagt. Daher ist schlechtes Gewissen, zumindest bei bewussteren Konsumenten, schon geradezu habituell. Wie aber verhalten sich die Hersteller dem gegenüber? Das wird nirgendwo deutlicher als da, wo das Wegwerfen selbst Thema ist, also bei Mülleimern. So scheinen viele von ihnen direkt gegen das schlechte Gewissen gestaltet zu sein. Mit ihnen soll es offenbar gelingen, Lust auf das Wegwerfen zu machen, es mit besonderem Sinn zu versehen oder einfach zu verharmlosen. Daher heißen sie etwa Spaceboy oder Liftmaster und werden als dienstbare Geister präsentiert. Sie sehen wie kleine Raketen aus: so als würden sie den Müll blitzschnell wegkatapultieren. Oder wie ein Hightechgerät: so als könnten sie Abfall in etwas Cleanes verwandeln. Oder wie ausgeflippte Scherzartikel: so als brauche man das Wegwerfen nicht weiter ernst zu nehmen.

Laut schnappende Mäuler gieriger Müllschlucker animieren dazu, dauernd nachgefüllt zu werden. Eigens für Kinder entwickelte Abfalleimer zitieren in ihrem Design Comic-Figuren mit großen Glupschaugen und ebenso großen Mündern; sie betteln geradezu darum, mit allem gefüttert zu werden, was man nicht mehr braucht. Das Wegwerfen wird so zu einem Akt der Fürsorge, ähnlich wie sonst für ein Haustier. Andere Abfallbehälter hingegen treten dezent auf. Nähert man sich ihnen, öffnet sich, vermittelt über einen Sensor, geräuschlos eine Klappe, und nachdem der Abfall durch sie hindurchgefallen ist, schließt sie sich genauso behutsam wieder. Etwas wegzuwerfen, wird hier zum Erlebnis perfekten Reinemachens; statt schlechtes Gewissen haben zu müssen, darf man sogar ein wenig stolz darauf sein, dass eine Aufgabe so makellos erfüllt wird: Was man los sein will, ist dann auch endgültig verschwunden, ja dem Wegwerfenden wird durch viele Produktdesigns das Gefühl vermittelt, eine klare Entscheidung getroffen und damit auch ein Werk vollbracht zu haben.

Doch sind die Hersteller nicht die Einzigen, die dem Wegwerfen eine neue Konnotation geben. Vielmehr begegnet Ähnliches bei Intellektuellen: Kulturtheoretikern, Künstlern, Schriftstellern. Sie wollen zwar nicht das Gewissen beruhigen, um die eigenen Geschäfte zu erleichtern, aber ihnen gefällt es, herrschenden Ansichten zu widersprechen und alternative Sichtweisen zu entwickeln. Was man der Industrie als Bagatellisierung vorhält, wird bei ihnen jedoch als Provokation empfunden.

So kann der Kulturphilosoph Bazon Brock mit einigem Widerspruch rechnen, wenn er im Müll etwas Gutes erkennt, bedeute er doch ein "Aus-der-Welt-Bringen", das ein "In-die-Welt-Bringen" von Neuem überhaupt erst erlaube. Das Zu-Müll-Machen, so Brock, sei daher genauso wichtig und sogar ebenso kreativ wie die Produktion von Gütern. Damit wird auch bei ihm das Wegwerfen zu einem Werk, und er folgert: "Wir müssen zu professionellen Müllmännern werden, um auf sinnvolle Weise Vermüllung zu betreiben."

In Don DeLillos Roman "Underworld" (1997), der im Milieu von Müll-Industriellen spielt, tritt sogar ein Protagonist einer Müll-Religion auf. Sein Ziel besteht darin, den Müll "großartiger, bedeutungsvoller, magischer" erscheinen zu lassen, eine "Architektur des Mülls" zu entwickeln und die Menschen dazu zu bringen, ihren Müll zu verehren. Dieser sei nämlich Ursprung und Motor der Zivilisation, die nicht etwa dadurch entstanden sei, "dass Männer Jagdszenen auf Bronzetore hämmerten und unter dem Sternenhimmel Philosophisches flüsterten"; vielmehr wuchs "zuerst der Müll und regte die Menschen an, eine Zivilisation aufzubauen - als Reaktion, als Selbstverteidigung". Wissenschaft, Kunst, Musik und Mathematik seien nur Folgeerscheinungen des Umgangs mit Müll. Dieser habe damit als Stimulans menschlicher Kreativität gewirkt.

In zwei Bänden der Zeitschrift Kunstforum international, die vor einigen Jahren Theorien des Abfalls und Müllkunst gewidmet waren, ging es ebenfalls um die "Wertigkeit des Wertlosen" oder darum, dass "Müll Ideen triggert". Je bedrängender die Müllproblematik in Zeiten des Konsumismus wird, desto herausfordernder scheint es also zu sein, das vermeintlich Schlechte optimistisch umzudeuten. Darin treffen sich Denker und Designer, mit dem einzigen Unterschied, dass die einen damit Diskussionen auslösen können, die anderen aber schleichend zu einer Veränderung alltäglicher Lebensgewohnheiten beitragen. In jedem Fall aber stimmt, was man auf einem japanischen Abfalleimer als Slogan aufgedruckt lesen kann: "Resources are limited. However, there is no limit to ideas of human beings!"

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