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Die WocheWie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Schramma, Aigner und das "Phantom von Heilbronn". Über Beißhemmungen und künstlichen Milchdurst.

Benjamin Weber
Interview von Benjamin Weber

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der letzten Woche?

taz
Im Interview: 

FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH kommt am 19. April zum taz-Kongress nach Berlin. Dort diskutiert er über die taz von morgen - und der nächsten 30 Jahre. Infos unter www.taz.de/30jahre

Man kann aus dem Urlaub jede Krankheit mit nach Hause bringen, nur nicht: das Wetter.

Was wird besser in dieser?

Ebenjenes.

Tierschützer dürfen Massentierhaltung auch weiterhin nicht mit dem Holocaust vergleichen, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Richtig so?

In den USA sei dies eine unbeanstandete Kampagne, sagen sie - also in einem Land, wo man auch die NSDAP oder den Ku-Klux-Klan gründen darf. Ich finde die Gleichsetzung menschenverachtend und natürlich bedauerlich, dass es eines Gerichtes bedarf, an sich selbstverständlichen Anstand zu erzwingen.

Fritz Schramma, CDU-Oberbürgermeister zu Köln, steht wegen des Archiveinsturzes in der Kritik, schneidet illegal eine Ratssitzung mit und beklagt sich, ihm werde mit überzogenen Vorwürfen übel mitgespielt. Was geht dort vor sich ?

Bei Schramma habe ich ne Beißhemmung. Gewählt auch mit dem Versprechen, die habgierigen Radarfallen etwa auf der Zoobrücke abzubauen, verlor der frischgebackene OB seinen Sohn: tödlich überfahren als Unbeteiligter bei einem illegalen Autorennen mitten durch die City. Inzwischen also gibts mehr Starenkästen denn zuvor. Das bringt ihm seinen Jungen nicht zurück. Dann ein mehrjähriges Geklüngel, ob man zu Gunsten anmaßender Bauprojekte, die den Dom überragen, auf den Weltkulturerbe-Status verzichten sollte. Dann wieder Schramma allein zu Rathaus: Gegen seine Partei mit der Opposition für den Bau der Kölner Moschee. Schließlich U-Bahn-Desaster - für Züge durch die Stadt mit unterirdischem Humor ist Köln ja bekannt. Fazit: Schramma ist die werkgetreue Übersetzung Millowitschens in die Lokalpolitik und genießt als solches Denkmalschutz. Daneben bräuchte Köln einen kompetenten OB, ja.

Um den Milchpreisverfall zu stoppen, soll einfach jeder einen Liter pro Woche mehr Milch trinken, fordert Argrarministerin Ilse Aigner (CSU). Kann man nicht noch mehr Probleme so leicht lösen?

Da der Asiat eine genetische Kuhmilch-Unverträglichkeit aufweist, stellt sich hier insgesamt die Frage, ob China in der Größenordnung heutzutage aus Sicht der CSU noch Sinn macht, ja. Viele kritische Verbraucher werden Abwrackprämien für Bierdosen auch dufte finden. Früher befriedigte oder erfand die Wirtschaft Bedürfnisse der Verbraucher. Heute soll das hergelaufene Verbraucherpack gefälligst wegkonsumieren, wovon die Wirtschaft zu viel hat. Jetzt noch Zuweisung von Südfrüchten und die CSU gewinnt die Wahl. Zur Volkskammer.

Das "Phantom von Heilbronn" existiert gar nicht. Die deutsche Kriminalgeschichte ist um eine faszinierende, beeindruckend ausdauernde Powerfrau ärmer. Ist das nicht schade?

Ich hoffe, man findet nun auch bald das durchgeknallte Wattestäbchen, das die ganzen Punkte auf meinem Führerschein gemacht hat.

Am Mittwoch beginnt in Genf die Internationale Erfindermesse. Was sollte dringend noch erfunden werden?

Ein Friedhof der Erfindungen, für … Faxgeräte … Bildschirmtext … Atomkraftwerke …

Kaum wurde die Abwrackprämie wegen Erfolges verlängert, beginnt die Diskussion: Sollten auch Hartz-IV-Empfänger davon profitieren? Braucht man einen Neuwagen, wenn man von Staatshilfe lebt?

Äh … war nicht Hartz IV der Vorläufer, also die Abwrackprämie für Menschen, die der Arbeitsmarkt weggeschmissen hat? Der Vorschlag unterstreicht die These, dass wir heute als Arbeitskraft wesentlich weniger wert scheinen denn als Konsument. Du kannst gar nicht so doof sein, dass es zum Kaufen nicht noch reicht. Und so sieht die Werbung ja auch aus.

In Berlin startet am Mittwoch die große Blogger-Konferenz re:publica. Sollte man die Szene allmählich ernst nehmen?

Niemand kann das alles lesen. Blogs sind Massenmedien nicht mehr, weil man Massen erreichen kann, sondern weil sich dort Massen äußern. Im nächsten Schritt werden kluge Blogwarte Best-ofs veröffentlichen, dann wird es spannender.

Die Deutsche Bahn hat die E-Mail-Fächer ihrer Mitarbeiter gezielt nach Kontakten zu Journalisten durchsucht. Haben Sie sich etwas vorzuwerfen?

Ich merkte die letzten 10, 20 Jahre schon, dass der Kellner im Speisewagen Kontakte zu mir konsequent vermied. ("Sagt Käseplatte - meint vermutlich Geheiminformationen über Mehdorn … Nicht mit mir!")

Und was macht Borussia Dortmund?

Die ganze Stadt ist übersät mit sattgelben Osterglocken. Gäbe es schwarze Blumen, hätte das Grünflächenamt vermutlich halbe/halbe gemacht.

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