Nachbarschaftsbeziehungen: Deutsche? Polen? Egal

Streit um das "Vertriebenen-Zentrum", Streit um "SZ"-Korrespondenten Thomas Urban - und jetzt noch das: Deutsche und Polen werden sich immer gleichgültiger.

Weniger Zuneigung, weniger Abneigung - für Experten in den deutsch-polnischen Beziehungen Zeichen für Normalität. Bild: dpa

Eine neue binationale Studie der Institute CBOS und Emnid kommt zum Schluss, dass uns die Polen schon vorher nicht so mochten. Noch 2005 hatten immerhin 44 Prozent angegeben, ihre Nachbarn im Westen "mit Sympathie" zu "sehen". Im September 2008, dem Stichtag der Studie, sah das gerade noch ein knappes Drittel der Befragten so.

Umgekehrt beantworteten fünf Prozent mehr Deutsche diese Frage positiv als noch drei Jahre zuvor. Was nur scheinbar für mehr Nächstenliebe spricht: Trotz der Zunahme waren es insgesamt immer noch nur ein knappes Viertel der Deutschen, das ihre Nachbarn im Osten nett fand - unter dem Strich sechs Prozent weniger Zuneigung als andersrum.

Alles halb so wild: Auch die Zahl der Menschen, die die Bewohner aus dem Nachbarland "mit Abneigung sehen", hat in den letzten drei Jahren knapp (in Polen) bis deutlich (in Deutschland) abgenommen.

Was lesen wir daraus? Deutsche und Polen sind sich einfach egaler geworden. Ist das schlimm? Nein, findet Sabine Stekel, Redakteurin des Magazins Dialog der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Bundesverband e. V. Im Gegenteil: "Das ist doch ein Zeichen, dass endlich Normalität einkehrt. Die Leute regen sich nicht mehr so auf." - Ganz im Unterschied zu den Politikern auf beiden Seiten, wie Stekel beklagt. Und auch von Seite der Medien würde "Scheiße gebaut", sagt Stekel, ohne lange nach eleganten Umschreibungen zu suchen. Sie macht zudem einen interessanten Zusammenhang aus: In den letzten Jahren habe ein brutaler Boulevard Einzug gehalten, wie ihn Polen noch nicht gesehen hat. Und wer gibt die Boulevardzeitung heraus, die den deutschen Nachbarn plötzlich so böse Worte an die Köpfe wirft? Ein großer Verlag, Spezialist für große Buchstaben aus - Deutschland.

Die Welt schrieb über die Studie, dass in Deutschland nach dem Eintritt Polens in die EU 2004 "fast eine Euphorie" geherrscht habe, "die sich auch auf die persönlichen Beziehungen übertrug". Wie konnte es also kommen, dass diese in vier Jahren so abgekühlt sind? Stekel zögert nicht lange mit einer Antwort: "Die Leute sind egoistischer geworden, sie interessieren sich weniger für ihre Nachbarn." Eine Tendenz, die sich mit der Wirtschaftskrise verstärken dürfte: "In Krisenzeiten werden in der Regel nationale Egoismen wach", meint die Politologin Anna Wolff-Poweska von der Universität Posen.

Den Deutschen wie den Polen scheint aktuell sogar gleichgültig, ob sie einen netten Nachbarn haben. Trotz der tiefen Sympathiewerte wären 82 Prozent der Deutschen einverstanden, dass ein Pole in der Wohnung nebenan einzieht, immerhin 72 Prozent der Polen gaben an, mit einem Deutschen als Nachbarn einverstanden zu sein.

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