Hessen-SPD: Gnadenlose linke Sozialdemokraten
Während die Abweichlerin Silke Tesch vor einem nordhessischen Schiedsgericht mit einer Rüge davonkommt, fordern Ortsvereine der SPD in Südhessen ein härteres Urteil gegen Carmen Everts.
FRANKFURT/M. taz | An diesem Dienstag im Volkshaus der Spargelkommune Büttelborn verhandelte das von gleich zehn Ortsvereinen der SPD im Bezirk Hessen Süd angerufene Schiedsgericht der Partei den Fall der Abweichlerin Carmen Everts bis in die Nachtstunden hinein, ohne einen Stich zu machen. Eine „gütliche Einigung“, die das Schiedsgericht der SPD Marburg-Biedenkopf im Bezirk Hessen Nord im Fall der Abweichlerin Silke Tesch am Tag zuvor erfolgreich angeregt hatte, sei in Büttelborn „nicht in Sicht“, sagte der Anwalt von Everts, Mathias Metzger aus Darmstadt, nach Verhandlungsschluss gegen 21 Uhr. Der Advokat ist der Bruder der (frühen) Abweichlerin Dagmar Metzger. Das Urteil soll den Parteien jetzt in den nächsten drei Wochen schriftlich zugestellt werden.
Dabei hatte sich Everts schon im Vorfeld der Verhandlung in Büttelborn bereit erklärt, eine Rüge für ihr abweichendes Verhalten Anfang November 2008 im Vorfeld der anvisierten Wahl der damaligen Partei- und Landtagsfraktionschefin Andrea Ypsilanti zur hessischen Ministerpräsidentin zu akzeptieren. Doch den (an-) klagenden Ortsvereinen war das eine zu milde Sanktion. Sie orientieren sich am erstinstanzlichen Urteil der Schiedskommission des Unterbezirks Wetterau im Fall Jürgen Walter. Der Galionsfigur der Parteirechten waren vor Monatsfrist seine Mitgliedsrechte für zwei Jahre weitgehend aberkannt worden; lediglich in seinem Ortsverein Friedberg darf er noch an internen Abstimmungen teilnehmen. Walter hat gegen das Urteil Berufung beim Schiedsgericht des Bezirks Hessen Süd eingelegt. Noch in diesem Monat soll darüber verhandelt werden.
Das Schiedsgericht in Nordhessen hatte Silke Tesch am Montag dagegen lediglich „gerügt“; ihre Parteirechte darf die frühere Landtagsabgeordnete weiter uneingeschränkt wahrnehmen. Die meisten der klagenden Ortsvereine der SPD in Nordhessen erklärten ihr Einverständnis damit; die Stellungnahmen von drei Klägern stehen allerdings noch aus. Wiederholt hatte die Parteispitze der SPD in Land und Bund signalisiert, dass man die leidigen Verfahren gegen die drei Abweichler mit Blick auch auf die Bundestagswahl gerne vom Tisch haben wolle. Mit der Akzeptanz der Rüge im Fall der aktuell arbeitslosen Silke Tesch dürfte sich jetzt wenigstens dieses eine Schiedsgerichtsverfahren erledigt haben. In seiner Urteilsbegründung hatten die zwei Laien- und der eine Berufsrichter mit dem Parteibuch der SPD in der Tasche ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das abweichende Stimmverhalten der „Angeklagten“ durchaus von der Landsverfassung und dem Grundgesetz gedeckt gewesen sei. Allerdings hätte sich Tesch mit ihren Bedenken gegen die – indirekte – Regierungsbeteiligung der Linken früher zu Wort melden müssen als nur einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung im Landtag.
Im linken Bezirk Hessen Süd dagegen sitzt der Stachel offenbar tiefer. Everts und Walter sollen so billig nicht davon kommen. Die Wut auf die Abweichler ist noch groß; vor allem bei denen, die schon fast Minister- oder Staatssekretärsposten eingenommen hatten, und auch bei all den Sozialdemokraten, die bei der für die SPD katastrophal ausgegangenen Neuwahl im Januar ihre Landtagsmandate verloren. Everts sollten „die Beine abfaulen“, hatte etwa die Kandidatin der hessischen SPD für den Bundestag, Ulli Nissen, auf einem Unterbezirksparteitag in Frankfurt – unter dem Beifall der Delegierten – angemerkt. Auch von „teeren und federn“ war die Rede. Ihre Äußerung hat Nissen zwar inzwischen „bedauert“; auf eine persönliche Entschuldigung aber wartet Everts, die inzwischen wieder als Assistentin für die Landtagsfraktion arbeitet, bis heute vergebens. Partei- und Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel jedenfalls forderte die Landtagsabgeordneten der SPD auf, mit Everts „anständig“ umzugehen.
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