Wahlen in der Olympiastadt Sotschi: Kremlzögling räumt ab

Der Kandidat der Regierungspartei "Einiges Russland" gewinnt deutlich bei den Bürgermeisterwahlen im südrussischen Sotschi. Die Opposition will gegen Fälschungen klagen.

Anatoli Pachomow, der Sieger von "Geeintes Russland". Jetzt wird wohl er die Winterspiele 2014 eröffnen. Bild: dpa

BERLIN taz Der neue Bürgermeister des 400.000 Einwohner zählenden südrussischen Stadt Sotschi, die 2014 Hauptstadt der Olympischen Winterspiele sein wird, heißt seit Sonntag Abend Anatolij Pachomow. Bei einer Wahlbeteiligung von 36 Prozent konnte der 48-jährige Landwirtschaftsfachmann, Doktor der Wirtschaftswissenschaften und seit Januar kommissarischer Bürgermeister von Sotschi von der Regierungspartei "Einiges Russland" mit 76,8 Prozent seinen Gegenspieler, den früheren russischen Vize-Ministerpräsidenten Boris Nemzow klar schlagen. Nemzow konnte 13,6 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, der Kommunist Jurij Dsaganija erhielt nur 6,75 Prozent. Die Wahlen waren über Sotschi hinaus von Bedeutung. Zum ersten Mal hoffte die Opposition auf einen Sieg. Mit einem Schlag wäre man dann zur realen Gefahr für die Kremlpartei "Einiges Russland" geworden. Ein Putin-Gegner hätte 2014 die Olympischen Winterspiele eröffnet.

Die unterlegenen Kandidaten sprechen von Wahlfälschungen. Über den Rechtsweg will Boris Nemzow einen zweiten Wahlgang erzwingen. Insbesondere bei den Vorwahlen sei es in großem Stil zu Fälschungen gekommen. Wer aus gutem Grund am Wahltag nicht in Sotschi sein konnte, durfte in einer Vorwahl seine Stimme abgeben. Bei diesen Vorwahlen, bei denen Wahlbeobachter nicht anwesend waren, hätten zwischen 90 und 100 Prozent für den Kandidaten von "Einiges Russland" gestimmt, so Boris Nemzow laut "Regnum.ru". Dreißig Prozent der Wähler hatten von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht.

Ganze Busse mit Lehren, Ärzten, Soldaten und Milizionären seien zu den Vorwahlen gekarrt worden, so Boris Nemzow laut Moskovskij Komsomolez. Wer nicht für "Einiges Russland" stimme, müsse mit Entlassung rechnen, habe man gedroht.

Noch am Tag vor den eigentlichen Wahlen, dem 25. April, habe die Wahlkommission von 14 000 Vorwählern gesprochen. Am 26. April seien es bereits 30000 gewesen. Auch diese Unstimmigkeit, so Nemzow, müsse ein Gericht klären. In zwanzig Prozent der Wahllokale habe die Liste der Wahlbeobachter lediglich als Sammlung loser Blätter vorgelegen. Vielfach seien hieraus Seiten verschwunden, so Olga Schorina von Nemzows Wahlkampfstab. Zudem seien Wahlbeobachter an der Beobachtung gehindert worden. Oft seien diese nicht informiert worden, wenn Wählern die Stimmabgabe zu Hause ermöglicht worden sei.

Bereits im Vorfeld hatte sich die Liste der 26 Kandidaten in kürzester Zeit auf sechs Kandidaten reduziert. Ein aussichtsreicher Kandidat, der Milliardär Alexander Lebedew, der unter anderem neben Michael Gorbatschow Mitbesitzer der oppositionellen Zeitung Nowaja Gazeta ist, war aus formalen Gründen von einem Gericht von der Liste gestrichen worden. Am 22. April war die Journalistin Anastasija Akopjan überfallen worden, weil sie mit "dem falschen Kandidaten" zusammengearbeitet hatte.

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