Concorso d'Eleganza 2009: Weniger ist teurer

Die Luxusklasse ist kleiner geworden: Intelligente Technik statt Opulenz. Einblicke in den Concorso d'Eleganza, den Schönheitswettbewerb für Autos.

Glänzendes Blech am Comer See: Beim Concorso d'Eleganza 2009. Bild: bmw

Luxus ist, wenn man auf dem Monitor der Instrumentenkonsole seines Wagens den Boden unter sich sieht - beim Zurücksetzen auf unwegsamem Gelände. Schließlich kann man auch ohne diese kleine Kamera wenden oder einparken. Aber spricht es von Bescheidenheit, wenn man erfährt, dass nach der Weltwirtschaftskrise 1929 bei Rolls Royce kaum mehr eine Bestellung nach Modellen einging, die einen Chauffeur vorsahen?

Zwar wollte sich die entsprechende Klientel den Phantom I schon noch leisten, aber beim Personal optierte sie für eine neue Bescheidenheit. So jedenfalls berichtete es Simon Kidston über das gelb-schwarze Sedane-Town-Auto von 1933, die Ausnahme, die noch einen Chauffeur vorsah. Der Sprecher des Organisationskomitees beim 80. Concorso d'Eleganza Villa d'Este am Comer See kommentierte die Parade der über 50 historischen Autos, die die Sammler am Wochenende stolz vor der Kulisse des sonnenbeschienen Comer Sees auffuhren.

Nun stellt sich in einer Zeit, in der einigen der weltweit größten Autobauer die Insolvenz droht und selbst bei den erfolgreicheren Rivalen die Umsätze dramatisch einbrechen, die Frage, ob nicht überhaupt alle Autos inzwischen historisch sind, selbst die auf dem gepflegten englischen Rasen vor der Villa d'Erba gruppierten Concept Cars.

Diese Modelle sollen zwar die Zukunft des Autos repräsentieren, doch die Zukunft, ob hier in Como oder auch auf der Möbelmesse im benachbarten Mailand, ist Vergangenheit. Das war sie zwar schon immer, weil wenigstens fünf Jahre zwischen den Ideen für die Zukunft des Wohnens und Autofahrens und ihrer Umsetzung liegen. Aber nie stammte unsere Zukunft aus einer so fernen Vergangenheit wie in diesem Jahr, wo die Krise dem opulenten, teuren Auftritt die Absage erteilt hat. So fragte der Sponsor des Concorso d'Eleganza, die BMW Group, im sonntäglichen Design Talk: "Kunst und Design: Ist Bescheidenheit der neue Luxus?"

Schaute man sich am Tag zuvor auf der Seeterrasse der Villa d'Este um, musste die Frage eindeutig verneint werden. Wie immer standen die Champagnerkübel auf den Tischen, und dass die Handtaschen nicht mehr plakativ Louis Vuitton heißen, sondern sehr dezent Hèrmes, bedeutet nur eine optische Bescheidenheit. Tatsächlich kostet die dezentere Marke ein- bis dreitausend Euro mehr für das kostbare Stück. Dazu passt dann auch die Auskunft von Frank Tiemann, dem Rolls-Royce-Pressesprecher für Europa und den Mittleren Osten, dass die Verkaufszahlen seiner Firma im ersten Quartal 2009 genauso hoch waren wie die des ersten Quartals 2008. Nun gut, das wundert nicht so sehr, wenn man erfährt, dass Rolls Royce (zur BMW Group gehörig) im Jahr eh nur tausend Autos verkauft. Die Weltwirtschaftskrise 2009 als Folge der Finanzkrise 2008 ist eine Krise unseres demokratisierten Konsums. Das trifft die Masse, nicht die obere Klasse. Um diese Krise muss sich also auch der Hauptsponsor des Events, die exklusive Schweizer Uhrenmanufaktur Girard-Perregaux, deren Ursprung immerhin im sehr sehr fernen Jahr 1791 liegt, nicht wirklich kümmern.

Für die BMW Group sieht das anders aus. Denn die Sammler und Liebhaber alter (und neuer) teurer Autos, die sich auch mal als Gemüsebauern aus dem Umland von Zürich entpuppen, sind ein zu kleiner Markt. Wer ein Auto kauft, um es zu fahren, braucht zukunftstaugliche Konzepte. Ob die Studie Gina light, die BMW anlässlich des eigenen, gleichfalls 80. Geburtstages an den Comer See geschickt hat, ein solches Konzept darstellt, ist nicht sicher. Zwar hat sich der futuristische Roadster statt in Blechrüstung in feines Tuch geworfen, doch wie die erhöhte "emotionale Wirkung" des Textilboliden gepriesen wird, der damit "ein wichtiges Ziel der Gina-Philosophie erfüllt", das spricht Bände. Denn dass sich technisch avancierte Autos heute letztlich nur noch über ihre emotionale Ansprache an den Käufer unterscheiden würden, diese Philosophie war gestern.

Inzwischen interessiert der Spritverbrauch noch mehr und die Energieart, mit der die Autos betrieben werden. Und die Frage nach kleineren Dimensionen auch bei Autos, die als Statussymbole gelten, steht im Raum. Typischerweise kam diese Frage, ob in Zukunft womöglich Luxus-Kleinwagen denkbar seien, aus dem Publikum, ganz am Ende des "Design Talks". In dieser Frage aber fand sich auch schon die Antwort nach den für den Autokauf wesentlichen Gefühlen. Und die sind rundweg negativ für alles, was auf größer, schneller, teurer setzt. Zu sehen, auf welchem Untergrund man sich mit seinem Auto bewegt, mag hübsch sein, eine Anzeige, die permanent den aktuellen Spritverbrauch durchgibt, ist das bessere Verkaufsargument.

Denn inzwischen leistet man sich ja keinen Benzinpreis mehr, sondern einen Beitrag zum Klimaschutz, nicht wahr? Doch eine solche These, die beim Thema "Modesty as New Luxury" eigentlich auf der Hand gelegen hätte, war Fehlanzeige bei der Podiumsdiskussion, in der die Moderatorin Cornelia Zetsche, Kulturjournalistin beim Bayerischen Rundfunk, tunlichst jede halbwegs thematisch relevante Frage umschiffte.

Stattdessen überraschte sie ihre Gäste, den Schweizer Designer Alfredo Häberli, die französische Designerin Inga Sempé (tatsächlich die Tochter von Sempé, dem Schöpfer des kleinen Nick), den Berliner Künstler Thomas Demand, die Architektin Louisa Hutton (deren Museum Brandhorst am 21. Mai in München seine Pforten öffnen wird) und Adrian van Hooydeonk, als Chefdesigner der BMW Group für Mini, BMW und Rolls Royce verantwortlich, mit der Frage, was Luxus für sie persönlich bedeute. Das lief dann auf "mehr Zeit haben" und ein generelles "Weniger ist mehr" hinaus und auf die ebenso allgemein geteilte Auffassung, Luxus müsse nicht mit Reichtum einhergehen.

Leider fehlte der Agent provocateur auf dem Podium, der diese Idee für falsch erklärte. Denn der Luxus, gerade der Luxus der Bescheidenheit, den wir uns in Zukunft leisten möchten, er wird verdammt viel Geld kosten, und der, der es hat, wird wieder einmal im Vorteil sein. Denn es geht ja nicht um das Geld, mit dem wir uns Schnickschnack oder Komfort leisten. Es geht um das Kapital, das investiert werden muss, um intelligentere Autos und Häuser zu bauen; es geht um das Kapital, das es braucht, um die Banken zu sanieren, damit sie in der Lage sind, den Industriefirmen das Kapital für die nachgefragten, intelligenten Innovationen zu geben. Hey, wir wissen schon heute, dass uns dieser Luxus Billiarden kostet.

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