Schwedischer Politiker: Ein Pirat für das EU-Parlament
Christian Engström will ins EU-Parlament, um sich für freies Internet und Privatsphärenschutz einzusetzen. Großen Aufwind erlebt seine Piratenpartei seit dem Urteil gegen die Betreiber von "Pirate Bay".
Christian Engström hat Mut zur Lücke. Als EU-Parlamentarier will er sich nur um einen Fragenkomplex kümmern: ein freies Internet und den Schutz der Privatsphäre. Die schwedische "Piratenpartei" ("Piratpartiet") hat keine Agenda zu den EU-Landwirtschaftssubventionen und keine Rezepte zur Lösung der Finanzkrise. "Wir wollen uns auf das konzentrieren, was wir können, und versuchen in diesen Bereichen Bündnisse zu schmieden", sagt Engström: "Wir wollen nicht an tausenden Abstimmungen teilnehmen und zu allen Fragen Meinungen haben."
Den potenziellen WählerInnen scheint das zu gefallen. Laut Umfragen wird die "Piratenpartei" bei den Wahlen in einem Monat genug Stimmen für einen der schwedischen Sitze im Europaparlament bekommen. Christian Engström würde als Spitzenkandidat und stellvertretender Parteivorsitzender als erster "Pirat" ins Europaparlament einziehen.
Die EU-Politik wäre kein unbekanntes Feld für den Neuling. Der 49-jährige Mathematiker und Programmierer, der früher in der liberalen "Folkpartiet" politisch aktiv war, engagierte sich im Rahmen der europäischen FFII, dem Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur, schon vor Jahren an deren erfolgreicher Kampagne gegen eine patentfreundliche EU-Richtlinie und für die Gewährleistung der Programmierfreiheit.
Außer um Datenschutz, Internetüberwachung und Urheberrechtsreformen will sich Engström um das demokratische Defizit der EU kümmern. Die "Piratenpartei" sagt Nein zum Lissabonvertrag und will teilweise die Rolle der EU-kritischen "Juniliste" übernehmen. Die wählten vor fünf Jahren über 14 Prozent der SchwedInnen ins Parlament. War deren Wählerpotenzial vorwiegend die ältere, ist es bei der "Piratenpartei" die junge Generation. Ihren eigentlichen Aufstieg erlebte sie nach der Haftstrafe gegen die Macher der Filesharing-Seite "Pirate Bay". Mit 42.000 hat sie inzwischen schon halb so viel Mitglieder wie Schwedens Sozialdemokraten.
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